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S.
Wien, am 15. April 1922.
Liebe Freunde!
Vom Verlag ist nur zu berichten, daß die beiden
ersten Hefte von Imago und Zeitschrift versandbereit sind und die bei-
den Hefte Nr. 2 sich in Arbeit befinden. In Heft 2 von Imago ist
ein Aufsatz von Professor Kelsen: über die Beziehungen der „Massenpsycholo-
gie zum Staatsrecht“; bemerkenswert, in Z. 2 ein ausgezeichneter Auf-
satz von Alexander, Berlin über Kastrationskomplex und Charakterbil-
dung.Aus der Schweiz erhielten wir die traurige Nachricht, daß Kolle-
ge Rorschach in Herisau, Mitglied der Schweizer Gruppe, im Alter von
37 Jahren einer vernachlässigten Blinddarmgeschichte plötzlich gestor-
ben ist. Pfister rühmt ihn als einen der begabtesten Analytiker, der
erst kürzlich mit dem „Formdeuteverfahren“ erfolgreich debutierte. Wir
werden Pfister um einen Nachruf für die Zeitschrift bitten. Pfister
selbst ist weiter sehr produktiv, hat ein neues Buch über „Entwick-
lung und Störungen der kindlichen Liebe“ eben veröffentlicht und
schreibt, daß er an einer neuen Arbeit arbeitet. In der philosophischen
Gesellschaft in Zürich hat Pf. nach einem eigenen analytischen Vortrag
in der Diskussion Lipps eine glänzende Abfuhr bereitet. Ferner berich-
tet er von einem neuen Buch des Nachentdeckers Haeberlin über Kinder-
fehler, das er als „90% Freud, 5% Kant und 5% Haeberlin“ charakteri-
siert.Ad Berl.
— Über die Aussichten der hiesigen Poliklinik kann heu-
te nichts Weiteres berichtet werden.Was Dr. Bychowski betrifft, so scheint er theoretisch
interessiert, hat 3 Monate Analyse bei Bernfeld gemacht, scheint nicht
in guten Verhältnissen zu sein und ist manchen Leuten hier nicht sy-
pathisch, ohne daß man weiß warum. Das Einfachste wäre wohl, wenn
er sich in Berlin vorstellen würde. — Was die Haltung gegenüber „Psyche
und Eros“ betrifft, so scheint ein Mißverständnis vorzuliegen.
Wir waren immer dafür, daß die Zeitschrift regelmäßig referiert
werde, wollten aber gerade jede reine Polemik vermeiden. — Mit der
Übernahme des Bücherlagers durch Lampl sind wir einverstanden,
hätten aber erwartet, daß Du, lieber Hanns, es der Mühe wert findest,
uns dies wenigstens auf einer Karte mitzuteilen, bevor die Übergabe
erfolgte. — Den Artikel von Loewenstein erwarten wir gerne. —
Was Frau Dr. Bondy betrifft, so danke ich (Rank) für die ausführliche
Information, die mich zur Vorsicht mahnen wird. — Sadgers Buch möchten
wir nun doch von Boehm referieren lassen. Bitte um Nachricht, ob er
das Buch besitzt. Übrigens hat Sadger einen Antrag auf die Überse-
tzung ins Englische erhalten. —Ad Lndn.
Was die Termine der Rundbriefe betrifft, so wollen
wir abwarten, wie sich die anderen entscheiden. Für uns macht es
nicht viel aus, da wir infolge der Zusammenkünfte jeden 2-ten Mitt-
woch doch nicht recht Schritt halten können.
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S.
Bezüglich der Teilnahme am Kongreßessen betonen wir nochmals, daß wir
gegen jede graduelle Abstufung in der Bezahlung und gegen jeden
Zwang an der Teilnahme beim Essen sind. Korrespondenz von Unwin
senden wir dankend zurück und halten auch unsererseits die Sache für
erledigt.Was die „Sammlungen“ betrifft, so sind wir selbstverständ-
lich auch dafür, daß Stracheys die Krankengeschichten behalten.
Doch wird ihre Fertigstellung vielleicht doch länger dauern als wir
erwarten, da Mrs. Strachey erst jetzt langsam zu rekonvaleszieren be-
ginnt. Wir glauben daher, daß man umso intensiver die beiden Bände
Einleitung und Technik fertigstellen sollte. Was die Artikel 1 und 2
im I-ten Band betrifft, so sind sie scheinbar im „Spiegel“ nur vergessen
worden, selbstverständlich werden sie auch übersetzt und publiziert.
Der Artikel „Triebumsetzung“ gehört nach Ansicht des Professors mit
den klinischen Beiträgen zusammen, z. B. „Disp. z. Zwangsneur.“, der me-
tapsychologische Band braucht mit dem früheren beabsichtigten Buch nicht
übereinzustimmen. – Sind die aus dem I-ten Band übersetzten
französischen Artikel brauchbar?Von Hiller, resp. Rickman haben wir die Bedenken gehört, die
Du, lieber Ernest, gegen die englische Publikation Deiner Marien-Ar-
beit hast. Solltest Du selbst irgendwelche Schwierigkeiten fürchten,
so würden wir doch lieber sehen, wenn bei der exponierten Stellung
der Psa. in England, der Autor Jones zugunsten des Herausgebers resignie-
ren würde. Du hast uns s. Z. mit Recht vor der Publikation des Tagebuches
gewarnt und wir hoffen, daß Du auch in eigener Sache vorsichtig genug
sein wirst, um irgendeinen Skandal oder eine Gefährdung der Psa.-
Bewegung zu vermeiden wissen wirst.Über die redaktionellen Angelegenheiten von Press und Jour-
nal folgt in einigen Tagen ein privater Brief, in dem ich (Rank) auch
auf Deinen freundlichen und wie ich glaube sehr richtigen Brief vom
10. zurückkommen werde.Mit herzlichen Grüßen