• S.

    Berlin, 17. 10. 25  

    Liebe Freunde,  

    dieser Brief geht mit einiger Verspätung ab. Als herkömmlicher Ver-  
    fasser der Rundbriefe kann ich erst heute wieder in Funktion treten und  
    benutze nun gern die Gelegenheit, auf diese Weise meine Wiederherstellung 
    zu beweisen. Natürlich fühle ich noch die Nachwirkungen der Krankheit, wie 
    es nicht anders sein kann, wenn man 5 Wochen gelegen hat, aber die Symptome 
    der Bronchopneumonie sind, im Gegensatz zur Rekonvaleszenz im Juni, dieses 
    Mal ganz beseitigt, und ebenso macht die Gallen-Affektion mir keine Beschwerden 
    mehr. Jetzt heißt es vorsichtig abwarten, ob die Infektion endgültig über-
    wunden ist. Eventuell wird in etwa 14 Tagen noch eine Autovaccin-Behandlung ein-
    geleitet werden, um Rückfälle zu verhüten. Genug von mir! Nur zwei Tatsachen will 
    ich noch erwähnen. Während der ganzen Zeit hat van Emden, der seine Ferien in 
    Berlin verbrachte, sich in einer einzigartigen Weise um mich bemüht, die ich  
    ihm nicht vergessen werde. Und zweitens war von größter Bedeutung für mich das
     

  • S.

    Eingreifen von Fließ in die Behandlung. Ich habe einen Begriff von seinen  
    ganz ungewöhnlichen Eigenschaften als Arzt bekom-  
    men. Er wiegt wirklich die  
    drei ordentlichen Professoren der inneren Medizin auf, die wir in Berlin haben, und  
    wenn man noch einige außeror-  
    dentliche als Zugabe gibt, so macht das auch noch  
    nicht viel. Nebenbei hat der ganze Verlauf meiner Krankheit seine Perioden-  
    lehre in frappanter Weise bestätigt.  

    Max befindet sich auf Reisen, z. Zt. in Florenz. Hanns ist während der  
    letzten Zeit mit der Arbeit am Film sehr belastet gewesen, zumal ich ihn ja  
    nicht unterstützen konnte. Allem Anschein nach gelingt das Werk gut, und in  
    etwa 3 Wochen werden die photographischen Aufnahmen beendet sein. Da soeben  
    schon Ernest’s Brief angekommen ist, so kann ich seine Frage schon beant-  
    worten. Von dem Bernfeld-Film hat man nichts mehr gehört. Es hat wohl nie-  
    mand Freude daran, die Angelegenheit nochmals aufzurollen, aber kurz er-  
    wähnt mag doch sein, daß die ganze Sache sich als ein Bluff herausgestellt hat.
     

  • S.

    Das Angebot einer Wiener Firma war fingiert, um uns zu bluffen. Jener 
    Firma gegenüber behaupteten St[orfer] und B[ernfeld], sie hätten ein Angebot von der Ufa und 
    kämen in Homburg mit amerikanischen Interessenten zusammen, die ebenfalls 
    hohes Gebot machten. Und Ähnliches mehr. Aber nun ist ja äußerlich die Ruhe 
    wiederhergestellt, und ich habe gestern in anderer Angelegenheit einen Brief 
    an Storfer geschrieben, als wenn nie etwas geschehen wäre. Ich hoffe, daß 
    nun alle weiteren Störungen des Friedens vermieden werden.  

    Aus Deutschland ist zu melden, daß die Diskussion der Psychoanalyse in Zei-
    tungen und Zeitschriften nicht mehr zur Ruhe kommt. Überall findet man sie 
    erwähnt. Ein Lokalblatt in Charlottenburg druckte kürzlich aus dem psychoanalytischen Al-
    manach Herrn Prof.s Artikel über die Widerstände ab. Ein Jahrbuch Minerva
    das über alle wissenschaftlichen Gesellschaften und Institute berichtet, ver-  
    langte kürzlich genaue Angaben über unsre Vereinigung. Natürlich fehlt es  
    auch nicht an Angriffen. Aber ohne Zweifel war das Interesse noch nie so  
    stark wie jetzt.  

    Landauer in Frankfurt, der bisher zur Wiener Gruppe gehörte, will dem-  
    nächst zur unsrigen übertreten. / Ich wünsche sehr, jedoch! /  

    Alle Einzelheiten über die hies. Vereinigung usw. vertagen wir auf  
    das nächste Mal. Mit herzlichen Grüßen  

    Abraham