• S.

    Prof. Dr. Freud                          
     Wien, IX. Berggasse 19.

    9.3.09

    Lieber Herr College

    Amerika beherrscht die Situation. Ihre Annahme 
    hat mich sehr erfreut. Mein Bruder, den Sie
    ja kennen, ist ebenfalls zur Reise entschloßen 
    und beschäftigt sich mit den Vorbereitungen. 
    Wir denken an die Austro‑americana (Triest), 
    von der ein sehr schönes Schiff, die Laura 
    am 21 Aug über PatrasPalermo nach New York 
    abgeht. Die längere Fahrt soll nicht vermieden 
    werden, da sie wenigstens im Mittelmeer 
    ein hoher Genuß ist. Aber über alle Details 
    soll mündlich weiter verhandelt werden.

    Am 19. will Jung bei mir eintreffen. Ich 
    hoffe, Sie kom̄en über den drauffolgenden 
    Sonntag herüber. Es wird bis dahin alles zur 
    Beschlußfassung reif sein. Auch ich habe mir 
    Werke über Amerika bestellt u suche nach 
    einem Lehrer, um mein Englisch zu poliren. 
    Es scheint ein großes Erlebnis werden zu 
    wollen.

    Mit herzlichem Gruß 
    Ihr Freud

    Anmerkungen aus: Brabant, Eva; Falzeder, Ernst; Giamperi-Deutsch, Patrizia (Hg.): Sigmund Freud / Sandor Ferenczi Briefwechsel. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1993-2005. 1993 in Band I/1 (1908 –1911)

    Bruder: Alexander Freud (1866-1943). Ohne akademischen Grad wurde er beeideter Sachverständiger beim Handelsgericht, Experte des Ministeriums für Fracht-, Transport- und Tarifwesen und Kaiserlicher Rat. Er war Vortragender an der Consularakademie, Honorardozent an der Export-Akademie (schräg gegenüber Freuds Wohnung in der Berggasse) und Herausgeber der Zeitschrift Allgemeiner Tarif-Anzeiger. Von den Nationalsozialisten enteignet, starb er in Kanada in der Emigration. Die Absicht der Brüder - die sonst viele Reisen gemeinsam machten -, 1909 gemeinsam in die USA zu fahren, wurde dann nicht verwirklicht.