• S.

                                                            21 Okt 11

    Prof. Dr. Freud                           Wien, IX. Berggasse 19.

     

    Lieber Freund

    Das ist sehr amüsant. Ich sehe, wie Sie triumphieren wollen, aber ich besorge, es wird Ihnen nicht gelingen. Vor allem scheint es mir gar nicht ausgemacht oder durch den Text des (zurückkommenden) Briefes gestützt, daß Jung selbst diesen Eindruck hat. Das ergäbe ja erst die Analogie zu Ihnen, die Ihnen so einleuchtet. Wenn es bloß ein Produkt der kleinen Frau ist, so entfällt ja die Ähnlichkeit ganz. Ich will aber zugeben, es sei nicht unwahrscheinlich, daß sie sich auf Äußerungen von ihm stützt.

         Mit dem Wortlaut Ihres Briefes an sieA bin ich ganz einverstanden, Sie können auch noch die Beziehung auf die Astrologie und die Libidoarbeit streichen, denn das Unbehagen gegen den ersten Fall ist nicht persönlicher Art, und die Einwendungen gegen die Libidoarbeit sind sehr gering und sehr klar. Außerdem können Sie hinzufügen, sie verdürbe gewiß nichts, denn sie könnte ja wissen, wie gerne ich sie hätte und wie ich ihre intellektuelle Teilnahme hochschätze.

     

         Im ganzen ist die Sache nicht sehr schmeichelhaft. Wäre ich nicht zur -A verpflichtet, so würde ich nur lächeln; so aber will ich vorsichtig sein und das vorzulegende Material von Anzeichen abwarten, ob ich daraus etwas Neues über mich erfahren kann.

         Ewige Diskretion selbstverständlich!

         Es fällt mir noch ein, daß Jung gleich nach dem Kongreß nach St. Gallen gegangen ist, sie nach Schaffhausen, das Ehepaar sich wahrscheinlich wochenlange nicht gesprochen hat.

         ‑ Von sonstigen Neuheiten kann ich Ihnen nur berichten, daß ich in allerlei kleinen Schwierigkeiten stecke, z.B. mit der neuen Zeitschrift. Deuticke hat sich zurückgezogen, Urban & Schwarzenberg, an die ich mich später gewendet, mit verständiger Motivierung abgesagt, von J. Amb. Barth1 habe ich erst einen aufschiebenden Bescheid. Es ärgert mich, daß die Sache nicht zustande kommen soll.

         Ernst geht es gut, mit Sophie ist noch nichts entschieden.

         Ich grüße Sie herzlich, in Eile

                                                                  Ihr

                                                                Freud

     

     

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    A In der Handschrift: Sie.

     

         1    Namhafter Verleger in Jena.