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S.
INTERNATIONALE ZEITSCHRIFT FÜR
ÄRZTLICHE PSYCHOANALYSE
Herausgegeben von Professor Dr Sigm. Freud
Schriftleitung: Dr. S. Ferenczi, Budapest, VII. Elisabethring 54
/ Dr. Otto Rank, Wien IX/4, Simondenkgasse 8
Verlag Hugo Heller & Co, Wien, I. Bauernmarkt No 3
Abonnementspreis: ganzjährig (6 Hefte, 36‑40 Bogen) K 21.60 = Mk. 18.‑====================================================================
Wien am 13.5 1913A
Lieber Freund
Ich kann Ihnen heute wieder schreiben, weil die Totemarbeit gestern fertig geworden ist. Eine fürchterliche Migr[äne] (Seltenheit bei mir) und der unerwartete Besuch meines 80jährigen Bruders1 aus Southport drohten die Vollendung noch zuletzt aufzuhalten. Es drängt mich, darüber zu schreiben; seit der Tr[aum]deut[un]g (deren englische Übersetzung ich [B nach vierzehn Jahren] vorgestern erhalten2) habe ich nichts mit ähnlicher Sicherheit und Hochgefühl gearbeitet. Die Aufnahme wird entsprechend sein; ein Sturm von Entrüstung außer bei meinen nächsten Getreuen. In den Streit mit Zürich kommt sie ganz rechtzeitig, sie wird uns auseinandersetzen wie eine Säure ein Salz.
Wer die Prinzessin küssen will, die da innen schläft, muß sich allerdings durch einige Dornenhecken von Literatur und Referaten durcharbeiten.3 Ich habe jetzt noch bis zum 15. Juni Zeit, Lesefrüchte einzutragen und Verbesserungen zu machen. Der Druck soll dann bis 14. Juli beendet sein. Von Mitte Juni an schicke ich Ihnen die Proben.
Ich bin natürlich sehr gehoben und sehe der schwarzbraunen Zukunft ruhig entgegen. Wenn Jones kommt, werden Sie also als Komitee zuerst ernste Arbeit bekommen. Ich glaube, es ist recht, wenn ich es nicht zu einem persönlichen Duell zwischen Jung und mir kommen lasse. Ich habe die Beziehungen abgebrochen, ob er im Verein verbleibt oder nicht.
Ihr Fall ist nicht ganz derselbe wie der von Jones. J[ones] hat die Frau durch sieben Jahre gehabt, die eigentlich ein Juwel ist. Allerdings hat er sie auch nicht durch meine Schuld verloren, kaum übrigens durch seine eigene. Es ging seit langem nicht mehr zusammen.
Wenn Sie Ihre Ortsgruppe gründen können, so tun Sie es gleich und vor dem Kongreß, nicht nur der Stimmen wegen, sondern auch wegen der Stellung, die es Ihnen verleiht. Der Mann4, den Sie mit einem Steckbrief bei mir angekündigt, ist zum Glück nicht gekommen.
Sie antworten nicht auf das Angebot von S. Martino? Es ist ein überaus verlockender Aufenthalt. Wir werden uns sehr freuen, Sie dort zu treffen. Sie wissen doch, ich würde es nicht verbergen, wenn es anders wäre.
Herzlichen Gruß
Ihr Freud
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A Siehe Brief 358 Fer, Anm. A.
B Eckige Klammern in der Handschrift.
3 Im Märchen Dornröschen der Gebrüder Grimm schläft die verwunschene Prinzessin mitsamt dem Hofstaat im Schloß hinter einer dichten Dornenhecke, bis ein Prinz diese durchdringen kann und die Prinzessin durch einen Kuß weckt.
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S.
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