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S.
Karlsbad 20.7.12.A
Prof. Dr. Freud Wien, IX. Berggasse 19.
Lieber Freund
Wir wohnen hier im +Goldenen Schlüssel*. +Freundschaftssaal* ist unser Frühstückslokal. Der Besuch des jungen Mannes hat natürlich mit Anerkennung der Verlobung geendigt, die am 28. d.M. in der Neuen Presse publik gemacht werden soll. Da haben Sie eine damals nicht beabsichtigte Überdeterminierung zum Motiv der +drei Schwestern* oder drei Töchter.1
Ich bin sehr froh zu hören, daß Sie gegen E[lma] durchaus fest geblieben sind und ihre Schliche durchkreuzt haben. Es kann nur so gehen, wenn es überhaupt geht. Es war von Ihrer Seite ein starker Schritt über die infantilen Einengungen hinaus.
Die -A liegt weit hinter mir im wesenlosen Scheine, obwohl Unterhaltungen mit Emden sie aus dem Schlummer wecken wollen. Die Kur hat diesmal keine übeln Allgemeinwirkungen wie im Vorjahr, aber intellektuell bin ich vollkommen gesperrt. Emden[s] danken sehr für Ihren Gruß, sie sind reizende Gesellschaft wie immer. Wir amüsieren uns sehr mit den Berichten über die Versammlung der holländischen Neurologen am 3. d.M.2, in welcher er zuerst als Anfänger hervorgetreten ist. Der Referent Boumann3 war übrigens ein halb Überzeugter. Von Brill habe ich Nachricht, er kann im September hier sein, wird aber kaum die ganzen drei Wochen der Reise mit uns bleiben können. Vor 10. September möchte ich den schönen Caldonazzosee nicht verlassen und erwarte, daß Sie, wenn Ihnen Reisen nicht mehr macht als bisher, auch dorthin zu uns kommen.
Ich höre hier durch Emden von dem Buch über die denkenden Tiere und habe den Eindruck, es bedürfte hier der Gedankenübertragung noch nicht. Die Intelligenz der Tiere paßt ausgezeichnet zu unseren Anschauungen vom Bw und Ubw.
Von Jung habe ich seit etwa fünf Wochen keine Antwort oder andere Nachricht, werde mich auch ferner passiv verhalten.
Es grüßt Sie herzlich in Erwartung Ihrer Nachrichten
Ihr getreuer
Freud
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A Handschriftlich über die vorgedruckte Briefkopfzeile gesetzt.
2 Die Jahresversammlung des Niederländischen Vereins für Neurologie und Psychiatrie am 3.7.1912. Vgl. das Referat von A.S. (August Stärcke) in der Zeitschrift (1914, 2: S.
188-191).
3 K. Herman Bouman (?-1947), Professor für Psychiatrie und Neurologie an der Universität Amsterdam und Direktor der dortigen Wilhelmina Gasthuis Klinik; Gründungsmitglied (1917) der Holländischen Psychoanalytischen Vereinigung.
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S.
Lázeňská 21/3
Karlovy Vary 36001
Czechia
VII Erzsebét-kőrút 54
Budapest 1073
Hungary
http://data.onb.ac.at/rec/AC16572410 Autogr. 1053/13(1-13) HAN MAG