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S.
Berlin, 11. 4. 21
Antwort auf L W Bp vom 1.4.
Bp vom 21.3. nachträglich über Meran eingelaufen.Liebe Freunde,
Die Korrespondenz in alter Weise wieder übernehmend, will
ich zuerst meinen Dank dafür sagen, daß es mir während meiner Reise
von allen ermöglicht wurde, unsren gemeinsamen Interessen zu folgen.
Mit besonderem Interesse vernahm ich alles auf die Verlagstätigkeit
Bezügliche und die Berichte über die vielen Schwierigkeiten und
Konflikte in England. – Ich fühle mich durch Meran sehr gut erholt
und hoffe, die Krankheit jetzt in der Hauptsache überwunden zu haben.
Jedenfalls hoffe ich, wieder alles für unsre gemeinsame Sache leisten
zu können, was an mich herantritt.Wie ich höre, ist die Antwort auf die Fragen, welche unser
Verein vor mehreren Wochen beschlossen hat, noch nicht an Dich, l. Jo-
nes, abgegangen. Grund: ernstliche Erkrankung des Schriftführers
(Liebermann), der sich gegenwärtig in einem Sanatorium nahe bei Berlin
befindet. Leider hat er unterlassen, jemand mit seiner Vertretung
zu beauftragen, als er erkrankte. Ich selbst war damals verreist.
Sachs will sich um das Protokoll jener Sitzung nachträglich bemühen.
Etwaige Korrespondenz für den Berliner Verein bitte an mich zu
senden, weil ich nicht weiß, was sonst aus ihnen wird.Gleich nach der Rückkehr habe ich die „seminaristischen
Übungen zur Libidotheorie der Neur.“ mit 11 Teilnehmern begonnen.
Ich lasse Referate über eine Anzahl der kleineren Aufsätze aus dem
3. und 4. Band der „Kl. Schriften“ halten, erläutere sie an Beispielen usw.
Mitte Mai will ich einen neuen Einführungskurs beginnen.Die Nachfrage nach ps-a Behandlungen ist auch hier sehr
wechselnd, ganz wie Ferenczi es schildert. Im vergangenen Herbst war
sie nicht zu bewältigen, dann kamen stille Monate, jetzt ist wieder
ein Aufschwung. Die Kollegen sind alle ausreichend beschäftigt, auch
Hárnik geht es besser.Die 2. Auflage von „Traum & Mythus“ habe ich in Arbeit. Das
Wetter in Meran war zu schön, als daß ich dort viel hätte schaffen
können. Es sind erhebliche Änderungen nötig.Dir, l. Jones, muß ich noch über den jetzt nach London zurück-
gekehrten Dr. James Glover berichten, da er Dich bald aufsuchen wird.
In seiner Neurose ist eine frappante Besserung eingetreten, sodass
ich ihn für recht gut arbeitsfähig halte. Sein Verständnis für PsA
wird Dich sicher befriedigen. Als Arzt ist er sehr vertrauenswürdig,
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S.
neigt eher zur Übergewissenhaftigkeit. Der Zweck seines Besuches
ist nicht nur, Dir und der dortigen Vereinigung näher zu treten,
sondern vor allen Dingen auch, sich Deine Ansicht über die Brunsw.-
Sq.-Clinic zu holen. Er stimmt mit Deinem Urteil über dieses Institut
vollkommen überein, möchte seine Beziehung zu demselben lösen, aber
vorher mit Dir beraten, ob eine Reform desselben durch Beseitigung
der bisherigen Leiter und Übernahme von Seiten der Londoner Vereini-
gung möglich wäre. Ich kann mich für die loyale Gesinnung G's ver-
bürgen. Er hegt eine große Verehrung und Bewunderung für Dich und
hat den stärksten Wunsch, Dir näher zu treten und Dir zu beweisen,
daß er mit ungeteiltem Interesse bei unserer Sache ist. Vermutlich
wirst Du gewisse neurotische Züge bei ihm bald bemerken, aber ebenso
auch seine ausgezeichnete Intelligenz und psychologische Begabung.
Nebenbei: im Urteil über Dr. Herford ist er ganz Deiner Meinung. Es
stellt sich immer mehr heraus, daß sie ihre verschrobenen Eigen-
schaften und manche bedenkliche Charakterzüge hier mit Erfolg dissi-
muliert hat. Ich erinnere mich, daß Du mich gleich im Anfang auf
diese Möglichkeit aufmerksam machtest. Es hat wohl keinen Zweck, von
ihr noch irgendwelche Notiz zu nehmen.Für Rank anbei 1 Zeitungsausschnitt.
Ich bitte Dich, l. Rank um Mitteilung, von welchem Zeitpunkt
an der Bericht über die hies. Gruppe fehlt!Herzliche Grüße von uns dreien für das übrige Com.!
Sachs Abraham Eitingon