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    Nr. 2, 1921
    Berlin 11.1.1921
    Antwort auf Bp. 10 und 1, L 13, W 12

    Auf die Gefahr hin, als schwerer Analcharakter in Verruf
    zu geraten, muß ich zuerst wieder auf die äußere Ordnung unserer Berich-
    te kommen. Die Majorität hat sich nun für 1, 11, 21 als Daten
    entschieden, da Bp. & L. am 1. Januar geschrieben haben. Ich bitte also
    den letzten Berliner Bericht vom 31.12. als schon zum neuen Jahr gehö-
    rig zu betrachten und bezeichne den heutigen daher als „2.“.

    Wir empfinden die Erweiterung des Intervalls als sehr ange-
    nehm und können das Aufhören der früheren Mißstände schon jetzt 
    feststellen. Alle drei Briefe sind so zeitig eingegangen, daß die 
    Beantwortung in richtiger Weise erfolgen kann. Der verspätete Ein-
    gang von Bp 10 erklärt sich daraus, daß er an Eitingon adressiert 
    war und den Umweg Berlin-Meran-Berlin machen musste.

    Ferenczi: Komiteesitzung Ostern wäre uns recht, ebenso
    daß sie auf österreich. Boden stattfindet. Aber muß es Salzburg
    sein? Verschiedenen unter uns wäre ein Ort, wo es nicht ganz so sicher 
    regnet und vielleicht einmal die Sonne scheint, zuträglicher. Wir 
    sind im Übrigen damit einverstanden, uns in erster Linie nach Herrn 
    Prof.’s Wünschen bezügl. Ort und Zeit zu richten.

    Groddecks Buch wird bereits von Sachs referiert!

    Jones: Die Fragen werden im Anschluß an unsere General-
    versammlung ausführlich beantwortet werden. Diese ist am 27.I. Es 
    wäre zu wünschen, daß die anderen Gruppen sich bis dahin schon über 
    die Kongreßfrage (1921 oder 22?) entschieden hätten.

    Meine Frau konnte bisher das Referat über Mordell nicht
    ins Englische übersetzen, da das deutsche Ref. von Sachs noch nicht 
    vorlag. Ohne dieses ist eine Übersetzung bedeutend schwieriger. Aber 
    ich werde die beiden Beteiligten entsprechend belehren, und hoffe, näch-
    stes Mal das Gewünschte senden zu können.

    Wir hören mit Bedauern von den Schwierigkeiten in London.
    Wir freuen uns aber, Dir, lieber Jones, einen guten Trost sagen zu 
    können. Sachs & ich dürfen schon jetzt sagen, daß unsre englischen 
    Analysanden zu den besten Hoffnungen berechtigen. Gegen die von Dir 
    mit Recht beklagten „quackery“ gibt es nur ein Mittel: tüchtige Ärzte. 
    Und da die Brunswick Squ.-Clinic eine Hauptquelle der lay-analysis
    gewesen zu sein scheint, so wäre gerade von einer Änderung der dortigen 
    Zustände Gutes zu erhoffen. Sachs, der die PsA mit Miss Sharpe schon 
    vor Neujahr begann, hatte sofort von ihr den besten Eindruck. Seit einer
    Woche analysiere ich die Brüder Glover, und sehe zu meiner Freude, daß

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    meine Befürchtungen unberechtigt waren. Ich rechne damit, daß beide
    etwa falsch über wesentliche Fragen unterrichtet sein könnten. Nun fin-
    de ich tatsächlich zwei Menschen, die zwar die Literatur nicht vollständig
    kennen, aber über alles Wesentliche vollkommen orientiert sind. Der äl-
    tere Bruder erklärte mir, ebenso wie es früher Dr. Herford getan hatte,
    niemals eine PsA ganz durchgeführt zu haben. Er ist aber so gut orien-
    tiert, daß ich bisher nicht nötig hatte, seine Kenntnisse in irgend-
    einer Hinsicht zu ergänzen. Alle drei sind auch z.B. auf dem Gebiet der
    Traumdeutung und der infant. Sex. frei von jedem Vorurteil. Der jünge-
    re, der bisher nicht in der „Clinic“ gearbeitet hat, äußerte: Wir haben
    bisher keine psychoanalytische Cl[inic] gehabt, aber wir werden eine haben!
    Beide Brüder haben eine nicht gewöhnliche psychologische Begabung, sind
    so scharf im Denken und haben ein so ernstes Interesse an unserer Sache,
    daß ich sehr wünschte, alle hiesigen Mitglieder möchten ihnen darin
    gleichen. – Du, l. Jones, erinnerst Dich, wie zurückhaltend ich mich 
    über Frau Dr. H. geäußert hatte. Ich komme also wohl nicht in den Verdacht
    einer Überschätzung meiner Analysanden, zumal Sachs meinem Urteil hin-
    sichtlich seiner Analysandin zustimmt. Da bei allen eine gute Grundlage 
    bereits vorhanden ist und sie mindestens 3 Monate bleiben wollen, so 
    dürfen wir hoffen, der Londoner Gruppe und damit der PsA in England ein 
    paar brauchbare Kräfte zuführen zu können. Ich bemerke noch, daß Miss 
    Sh. und Dr. James Gl. auch wegen neurotischer Schwierigkeiten gekommen 
    sind. Dr. Edw. Gl. ist besser daran, hat immerhin mancherlei Konflikte. 
    Wir werden weiter berichten!

    Wien: Ihnen, lieber Herr Professor, muß ich noch den Empfang
    „Jenseits“ mit Dank bestätigen!

    Dir, l. Rank, kann ich in der Frage Rosenthal (Aufnahme eines 
    Artikels in der Zeitschr.) doch nicht beistimmen. Ich habe kein Bedürf-
    nis, die „Monotonie“ unserer Zeitschrift durch solche Artikel unterbrochen
    zu sehen. Die Durchsicht der Bürstenabzüge nützt den Mitredakteuren
    insofern nichts, als die gedruckten Artikel nicht mehr abgelehnt werden
    können. Im Falle Fröschels liegt das anders, weil Ihr in Wien ihn kennt.
    Aber sowohl mit Rosenthal, wie mit Peine liegt es anders. P. ist ein
    schwerer Neurotiker, der bei Foerster in Hamburg in Behandlung steht.
    Das jetzt eingerichtete Verzeichnis der Eingänge wird sicher nützlich
    sein. Ich schlage vor, beim Namen des Autors immer auch seinen Wohnort 
    zu nennen, was ev. von Wert sein kann.

    Sachs wird am Schluß dieses Briefes eine Bemerkung über das
    Referatwesen machen. – Der Bücherverkauf geht flott. Umsatz bisher
    M. 1000.
    Bezüglich Reik: Nachfrage nach Ärzte-Analysen fehlt augen-
    blicklich noch. Wir hoffen, daß bald wieder eine positive Welle kommt
    etwa zum Beginn des Sommersemesters. Aber auch dann ist es unmöglich,
    die Wohnungsfrage vorher zu regeln. Wohl können wir für R. und auch für
    seine Familie Zimmer in einer Pension nehmen, aber eine Wohnung im
    eigentlichen Sinne kann man nicht für jemanden besorgen, bevor er hier
    ist. Aber das ist ja eine cura posterior.

    Bis Mitte Januar können wir den Vereinsbericht liefern, falls
    Liebermann in den nächsten Tagen zurückkehrt; wahrscheinlich wird das
    der Fall sein.

    Vollrath ist ein stiller, aber sehr verläßlicher & sorgfältiger
    Mensch, dem man die Referate anvertrauen darf. – Frl. Dr. Neiditsch war
    in der letzten Sitzung nicht anwesend, so daß ich sie noch nicht um
    Ergänzung des russ. Referates bitten konnte.

    Von uns noch, daß Frau Klein aus Bud. eingetroffen ist.
    Hárnik arbeitet sehr tüchtig. Zu meiner Freude konnte ich ihm
    ein paar private Analysen verschaffen.

    Mit herzlichen Grüßen
    Hanns Sachs
    Abraham