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    Wien (Mödling), 25. August 1921

    Liebe Freunde!

    Ich beantworte die letzten Rundbriefe (Bl. 14.8., L. 12.8.) so-
    gleich heute anstatt erst am 1. Sept., damit die Reisedispositionen ohne 
    Verzögerung getroffen werden können.

    Vom Verlag, der jetzt im Sommer mit etwas gemäßigtem Tempo ar-
    beitet, ist zu berichten, daß wir im Herbst genötigt sein werden, ein ei-
    genes größeres Lokal mit entsprechendem Personal einzurichten, wie es 
    übrigens auch der rapiden Ausgestaltung des Verlages entspricht. Dabei 
    taucht die eventuelle Frage einer Verlegung der gesamten Herstellung nach Deut-
    schland auf, über die wir noch mündlich sprechen werden.

    Nun zunächst einige Nachrichten, die mir vom Professor zugekommen 
    sind. 1. Die überraschende Neuigkeit, die Jones meldete, daß Brill am 30. ds. 
    in Cherbourg ankommt, um den Professor (der Ort steht noch nicht fest) und 
    Jones zu sehen; er bleibt 14 Tage.–

    2. hat Jelliffe den Prof. in Gastein besucht und zwar am Tage vor Prof. 
    Abreise. Er tat sehr offenherzig, suchte sich anzubiedern, wurde aber am 
    nächsten Tage vom Prof. in Gesellschaft Stekels gesehen. Der Professor hält
     ihn für einen gefährlichen, skrupellosen Amerikaner. Von Interesse ist viel-
    leicht, daß er über dieselben Bemühungen und Erfolge bei organischen 
    Krankheiten wie Groddeck berichtet (NB. In der Therapie der Gegenwart, H 6, 
    1921, ist kürzlich eine Arbeit von Moos, Gießen, über günstige Erfolge psa 
    Behandlungen bei organischen Leiden erschienen. R[ank]).

    3. Erhielt der Prof. ein Schreiben von einem Herrn A. Bohl, Prof. aggr-
    ge de Philosophie (wo?), der als Adresse Bagneres de Bigorre H tes Pyrenées, 
    angibt; Franzose, aber von österreichischen Eltern, 40 Jahre alt. Er drückt seine Be-
    wunderung aus und den Wunsch, zum weiteren Studium der Analyse nach Wien 
    zu kommen, wie es ihm seine Professoren an der Pariser Fakultät, Dr. G. Dumas 
    und H. Delacroix geraten haben!

    Ferner kam an den Verlag ein Brief von Dr. Joh. Kinkel, ord. Dozent 
    der Universität Sofia (Bulgarien) der an einem Werk Zur Frage der psycho-
    logischen Grundlagen und Entstehung der Religion, einer sozial-
    psychologischen Studie. Einleitung zum System der psychoanalytischen Soziologie“ 
    arbeitet, die Ende des Jahres in den Annalen der Univ. Sofia erscheinen 
    wird. Er fragt an, ob wir uns für eine Ausgabe in deutscher Sprache inter-
    essieren.

    Levi Bianchini, unser italienischer Manager, teilt mit, daß die bei-
    den ersten Teile der italien. Vorlesungen bereits im Druck sind und Ende 
    November erscheinen werden. Er selbst kündigt seinen Besuch in Wien für 
    Oktober an.

    Von Bleuler ist ein neues großes Buch „Naturgeschichte der Seele 
    und ihres Bewußtwerdens. Eine Elementarpsychologie“ bei Springer, Bln. er-

  • S.

    schienen; gleichzeitig im selben Verlag von Häberlin: Der Gegenstand der 
    Psychologie. 

    Hattingberg schreibt, daß eine Anzahl seiner Arbeiten ins Englische 
    übersetzt werden.

    Payot in Paris, der Verleger der Vorlesungen, ist über das Erscheinen 
    der 5 kleinen amerikanischen Vorträge des Prof. in Genf wütend und hat, 
    um die Konkurrenz auszuschalten, die Auflage des Genfer Verlegers aufgekauft.

    ad London: Professor dankt Dir, l. Ernest, für Deine Festigkeit in den 
    Verhandlungen mit den amerikanischen Räubern und beantragt, daß die beiden 
    Fälle von Raub in großem Druck im Journal angekündigt werden. Vielleicht 
    kann man auch andre amerikanische Zeitschriften bewegen, die Rekrimination 
    abzudrucken (J. of abn. Psychol., Psa Review, viel- leicht auch Eros u. Ps.). 
    Das Buch von der Jackson wir Dir der Prof. mitbringen.

    Über das Referatenwesen sprechen wir wohl besser bei der Zusammen-
    kunft.

    ad Berlin: Dr. Max Loewy ist ein dem Professor persönlich bekannter 
    Prager Dozent, der sich in mehreren Publikationen psa. Gesichtspunkten ge-
    nähert hat und sich darum für einen Analytiker hält. Er dürfte in Wirklich-
    keit gar nichts von Analyse verstehen, ist übrigens ein anständiger Mensch. 
    Dies die Auskunft des Professors, der ich hinzufügen kann, daß Dr. L. sich 
    jedenfalls ernstlich für die Analyse interessiert, aber selbst weiß, daß 
    er sie nicht beherrscht, da er mich kürzlich durch einen gemeinsamen, aus 
    Marienbad zurückgekehrten Bekannten fragen ließ, wie es sich mit den Lern-
    möglichkeiten in Wien verhielte (Rank).

    Kongreß: Herr Professor schreibt, daß er bereit ist, am 21. Sept. 
    nachmittags in Hannover einzutreffen; ob von Berlin oder Hamburg steht 
    noch nicht fest. Der Prof. kündigt ein okkultistisches Referat und eine 
    kleine Mitteilung über Paranoia an und spricht die Hoffnung aus, daß auch 
    die anderen genug wissenschaftliches Gepäck mitbringen werden, um eine 
    schöne Tagesordnung zusammenzustellen.

    Was mich selbst betrifft, so reise ich in Verlagsangelegenheiten 
    voraussichtlich schon am 13. September von Wien ab (bis dahin Adresse weiter 
    Mödling), um mich in Leipzig und Berlin aufzuhalten, kann also jedenfalls 
    pünktlich in Hannover sein und mich auch sonst früher mit jemand treffen 
    (Abraham, Jones, Eitingon). Nach Leipzig und Berlin fährt Storfer mit mir 
    zusammen, teils in Verlagsangelegenheiten, teils will er eine kleine Urlaubs-
    reise daran schließen.

    Endlich noch eine rein private Anfrage, namentlich an Ferenczi und 
    Jones: Meine Frau gedenkt mich nach Leipzig und Berlin zu begleiten; da ich 
    nun weiß, daß auch Frau Ferenczi und Frau Jones zur selben Zeit in Deutsch-
    land sein werden, möchte ich mir die Frage erlauben, ob die Damen für die 
    Zeit des Kongresses schon irgend welche Dispositionen getroffen haben und 
    ob sich eventuell meine Frau ihnen anschließen könn- te.

    Rundbrief wird wohl keiner mehr versandt werden, außer von Abraham 
    die Reise betreffend, falls sich irgend welche Änderungen notwendig 
    erweisen sollten.–

    Herzlich

    [Rank Freud]