S.

Berlin 1. April 1923

Liebe Freunde!

Dem Brief nach Budapest liegt heute das Schreiben von Stanley
Hall bei.  

Dir, l. Ernest, habe ich bereits privat wegen des Kongresses in 
Oxford geschrieben, möchte aber auch hier noch einmal zum Ausdruck brin-
gen, wie sehr mich die Einladung erfreut hat, sowohl im Interesse unserer 
Sache als im eigenen. Ich habe die bestimmte Absicht, der Einladung zu 
folgen. Dem übrigen Komitee zur Kenntnis, daß ich mit Ernest brieflich 
verabrede, ob wir uns an den Vorträgen & Diskussionen beteiligen sollen, 
und wie wir die PsA am besten zur Geltung bringen können.  

Heute erhielt ich Deinen Brief, l. Ernest, betr. Deine Korresp. 
mit Frink wegen der amerikan. Berichte im Korrespondenzblatt. Ich stimme
Dir vollkommen zu.  

Mit der psychoanalytischen Vereinigung in Moskau haben wir durch Vermittlung 
des Prof. Varga noch einmal Verbindung zu erhalten gesucht. V., früher 
Mitglied in Bp, ist Mitglied der russischen Botschaft und wird die 
Beförderung der Korrespondenz durch Kurier ermöglichen. 

Mit Deinem Vorschlag, l. Otto, wegen Beschränkung der Briefe auf 
1mal im Monat sind wir einverstanden, wenn es sich zunächst nur um einen 
Versuch handelt. Vielleicht kommen wir damit aus. Es braucht aber nur eine 
einzige wichtige Materie zu kommen, dann wird sich der weite Abstand 
der Briefe sofort störend bemerkbar machen. Aber wir können es ja für 
einen Monat versuchen.  

Mit Bedauern hören wir von den Schwierigkeiten des Verlages. Ich 
(A) möchte noch persönlich bemerken, daß mir die völlige Streichung
meiner Schulden beim Verlag nicht angenehm ist. Ich wäre bereit gewesen, es 
mit dem kürzlich erhaltenen Autor-Honorar auszugleichen. Hoffentlich sind
die Verluste des Verlages durch solch generöses Vorgehen nicht allzu groß.  

Zum Abdruck in Imago können wir wärmstens den Vortrag von Frau 
Dr. Bálint über die mexikanische Symbolik empfehlen. Frau B. ist jetzt in
Bpest, so daß Du, l. Sándor, sie aneifern könntest, das Manuskr[ipt] bald nach
Wien zu senden. Mein Hamburger Vortrag eignet sich nicht für Imago, da er
wesentlich den infant. Totemismus und dergl. behandelt – also nichts
Originelles enthält. Vor längerer Zeit erhielt ich Stärcke’s  „Psychoanalyse und 
Ästhetik“ zur Durchsicht. Eventuell käme eine Übersetzung dieser hübschen 
Schrift in Frage.  

Aus Amerika kam kürzlich eine etwas reklamehafte Broschüre über
die Schriften von Theodore Schroeder, besonders „Erotogenesis of Religion“. 
Von diesem Autor ist einmal in Imago etwas über die Mormonen erschienen.

In der letzten Sitzung unserer Vereinigung habe ich (A) eine
Fortsetzung meines Kongreßvortrages gegeben: „Anfänge u. Entwicklung der
Objektliebe“. Ich werde versuchen, jetzt beide Vorträge auszuarbeiten
und möchte sie wenn möglich zusammen veröffentlichen. Ich schreibe Dir, l. 
Otto, demnächst darüber. Sonst von uns nichts Neues.  

Herzliche Grüße!

Abraham Sachs