• S.

    Wien, 4. Mai 1922

    Liebe Freunde!

    Die Verlagseinrichtung ist jetzt nahezu beendet  
    und wir hoffen, daß sich bald die guten Folgen zeigen  
    werden.

    Heute haben wir nur von einigen Manuskripten zu  
    berichten, die eingetroffen sind:  

    Eine sehr gute Arbeit von Alexander (Berlin) über  
    Kastrationskomplex und Charakterbildung, die im nächsten  
    Heft erscheinen soll. Ferner sandte Lorenz als Fortsetzung  
    des „Politischen Mythus“ eine ausgezeichnete Symbolarbeit  
    über den „Mythus der Erde“. Ferner kam die von Berlin ange-  
    kündigte Arbeit über Schwarze Messen von Löwenstein, die  
    wir aber noch nicht gelesen haben.

    Bei dieser Gelegenheit möchte ich für Jones erwäh-  
    nen, daß wir den zweiten Teil seiner Symbolikarbeit, der  
    schon so lange fällig ist, im 3. Heft der Zeitschrift publi-  
    zieren wollen, das zum Kongreß erscheinen wird. Wir möchten  
    gerne, daß Jones in diesem Hefte vertreten ist und da auf  
    eine Originalarbeit von ihm offenbar doch nicht bis dahin  
    zu rechnen ist, haben wir uns für diese Lösung entschlossen.

    Von Übersetzungen ist diesmal ziemlich viel zu  
    berichten: In Spanisch ist die Psychopathologie des Alltags  
    in sehr schöner Ausstattung und scheinbar sorgfältiger  
    Übersetzung als 1. Band der „Gesammelten Werke“ er-  
    schienen, der bald weitere Bände folgen sollen. Eine  
    schwedische Übersetzung desselben Werkes wird unter Grod-  
    decks Aufsicht jetzt gemacht. Im Italienischen ist bereits  
    der Schlußband der Vorlesungen erschienen, mit dem Druck  
    der Gradiva wird demnächst begonnen. Das Tagebuch ist  
    zur Hälfte übersetzt; was die russischen Übersetzungen  
    betrifft, so liegt die Schwierigkeit darin, daß mit  
    Rußland selbst keine Verbindung zu bekommen ist, der  
    Wratsch-Verlag in Berlin hat wegen der 5 Vorlesungen an-  
    gefragt, doch kann sich Deuticke nicht dazu entschließen  
    bevor er nicht weiß, was in Rußland los ist. Herr Citron  
    hat sich selbstverständlich nicht wieder gemeldet. Über  
    Ansätze in Bulgarien hat uns Dr. Kinkel in Sofia geschrie-  
    ben; es soll sich ein dortiger Verleger für die Heraus-  
    gabe psychoanalytischer Literatur interessieren. Was die  
    ungarischen Übersetzungen betrifft, so wird demnächst
     

  • S.

    darüber ein ausführliches Schreiben an Ferenczi abgehen,  
    dem ich hier nur den Empfang seiner diesbezüglichen Briefe  
    und des Angebotes von Dr. Varró bestätige. Partos hat  
    durch einen seiner Verwandten auch beim Professor anfra-  
    gen lassen, welcher ihm Deine Karte, l. Ferenczi, gezeigt  
    hat und damit die Sache ablehnte. Von französischen  
    Uebersetzungen hat der Verlag der „Nouvelle Revue Française“  
    (Monsieur Gallimard) die Sexualtheorie erworben.  
    Felix Alcan hat sich um die Traumdeutung für seine Biblio-  
    thek Philosophique beworben, doch hat der Professor  
    erst Garantien für eine entsprechende Uebersetzung ver-  
    langt.

    Aus Frankreich erhalten wir weiter eine Reihe von  
    günstigen Pressestimmen; auch ein Programm von Vorlesun-  
    gen über Psychoanalyse, welche Frau Sokolnicka in den  
    letzten Wochen gehalten hat.  

    Ossipow, der in Prag fleissig arbeitet, hat dort  
    vor mehr als hundert russischen Studenten über Psychoana-  
    lyse im Alltagsleben gesprochen und wird weiter Vorträge  
    halten.

    Zum Tode Rorschachs wird uns Oberholzer einen  
    Nekrolog schreiben und vielleicht auch etwas aus seinem  
    Nachlass zur Publikation schicken.  
    Ad Brln.  

    Wir freuen uns sehr über den Fortschritt der  
    Kongreß-Vorbereitungen und hoffen von Eitingon, der dieser  
    Tage hier erwartet wird, mehr darüber zu hören. Eine prak-  
    tische Frage möchten wir aber hier noch vorbringen: der  
    Verlag beabsichtigt auf dem Kongreß eine Verkaufs-  
    ausstellung seiner Publikationen einzurichten, und wir  
    möchten fragen, ob der entsprechende Platz dafür, der  
    ja nicht sehr gross wäre, in einem der Vorräume dort  
    schaffen liesse.  

    Was die Kinderzeichnungen betrifft, so handelt 
    es sich vorläufig nur um eine Sammlung, von deren Er-
    gebnis eine eventuelle Publikation abhängig wäre. 
    Für Dich, l. Abraham, die ich die Absicht hatte, die anderen beiden Symbolikbeiträ-  
    ge in Imago zu veröffentlichen. Sollte Dir jedoch dies  
    nicht recht sein, so werden wir selbstverständlich gerne  
    jedem anderen Wunsch von Dir entsprechen.  

    Ad Bpst. Die Arbeit von Hollós über das Zeitgefühl ist 
    tatsächlich ein bisschen zu spekulativ, doch haben wir  
    den Eindruck, dass sich nicht viel daran ändern lässt.  
    Wir sind auch gerne bereit, mit Rücksicht auf die genann-  
    ten Umstände die Arbeit bald zu bringen. Doch wird dies  
    vor Heft 3 (September) nicht möglich sein. Dagegen dürfte  
    ja die Paralyse-Arbeit noch in diesem Monat erscheinen.  
    und auch Deine Darstellung der Analyse interessiert uns
     

  • S.

    jedenfalls.  
    Was die von Dir angeregte Zusendung des Journals  
    betrifft, so bitten wir alle Komitee-Mitglieder, die  
    darauf reflektieren, dies dem Verlag mitzu-  
    teilen, und zwar mit genauer Angabe dessen, was sie eventuell bis  
    jetzt vom Journal erhalten haben. –  
    Ad London  

    Was die Reihenfolge der Artikel des 1-en  
    Bandes der Sammlungen betrifft, so ist sie dieselbe  
    wie im deutschen, nämlich chronologisch. Den Hypnose-  
    artikel möchte der Professor nicht mit publizieren.  
    Was die Erweiterungen der Sammlungen (z. B. weibliche  
    Homosexualität etc.) betrifft, so verweisen wir Dich  
    lieber Ernest auf den 5-en Band der Sammlung, welcher  
    noch nicht ausgegeben ist, von dem wir Dir aber 2 Exem-  
    plare für Dich und den Übersetzer senden; es kommt dann  
    nur die Arbeit noch dazu, die seither erschienen  
    ist („Traum und Telepathie“).  

    Die Frage der englischen Press wurde in einer  
    Sitzung, die wir am 18. April mit Mrs Rivière, Hiller,  
    Rickman und Strachey abgehalten haben, eingehend be-  
    sprochen. Wir werden Dir darüber ausführlich berichten,  
    möchten nur bemerken, dass als erster Schritt der  
    neuen Organisation Mrs. Rivière mit der Zustimmung  
    von Jones als Übersetzungsredakteur („Translating  
    Editor“) installiert wurde und in dieser Eigenschaft  
    bereits hier arbeitet, bevor sie sich zur Analyse aufhielt.  
    Von der Rückkehr aller dieser genannten Personen  
    nach London versprechen wir uns eine Erleichterung  
    und Unterstützung der schweren Aufgabe, die Du, lieber  
    Ernest, auf Dich genommen hast.  

    Betreffs „Eros und Psyche“ möchten wir doch  
    vorschlagen, dass man zwar die Zeitschrift als solche  
    nicht beachtet – am allerwenigsten die Schmähartikel –  
    aber doch einzelne Arbeiten, die Beachtung verdienen,  
    im Journal referiert. Bei dieser Gelegenheit möchten  
    wir erwähnen, dass Silberer mitgeteilt hat, er sei  
    wegen Tannebaums Haltung aus der Redaktion ausge-  
    treten; machte gleichzeitig einen Versuch, sich dem Pro-  
    fessor anzubiedern, was dieser aber ablehnte.  

    Unsere „auswärtigen Mitglieder“ sind nur stän-  
    dige Gäste für 3 Monate, die nach Ablauf dieser  
    Zeit, gegen Entrichtung eines kleinen Regiebeitrags  
    Gastkarten erhalten.  

    In der Poliklinik-Angelegenheit ist die letzte  
    bisher noch ausständende behördliche Bewilligung  
    unmittelbar bevorstehend, so dass in nächster Zeit  
    mit Eröffnung des Ambulatoriums zu rechnen ist.  
    Mit herzlichen Grüßen

    [Rank/Freud]