-
S.
Berlin, den 8. Juni 1922.
Liebe Freunde!
Der diesmalige Brief geht verspätet ab, da ich (A.) einige
Tage verreist war und während der Pfingsttage Besuch von
Ophuijsen hatte.Wir hatten vor einigen Tagen eine Sitzung des vorbereitenden
Ausschusses für den Kongreß. Der von Wien gemachte Vorschlag be-
züglich des Essens („gleiche Beträge von allen“) wurde angenom-
men, so daß diese Frage nun wohl erledigt ist. Wir möchten vor-
schlagen, daß jede Gruppe eine Liste führt über Nicht-Mitglieder,
die als Gäste am Kongreß teilnehmen möchten und nur nach strenger
Auswahl Gastkarten ausgibt.Was die Ausstellung des Verlages betrifft, so ist neben dem
Sitzungssaal ein kleines Zimmer zur Verfügung. Es würde sich wohl
empfehlen, die Ausstellung hier zu veranstalten, da man einen
solchen kleineren Raum unter Verschluß nehmen kann. Wir bitten
Rank um Mitteilung, wieviel Platz etwa benötigt wird.Privat hörte ich, daß Brill zum Kongreß kommen wird.
Wir möchten vorschlagen, daß im nächsten Brief festgesetzt
wird, wie während der Ferien der Briefwechsel weiter geführt wird.
Ebenso sollten dann alle ihre Ferienadressen und die Zeit ihrer
Abwesenheit angeben.Budapest: Bei der Mitteilung der kindlichen Theorie in der
Beilage zum letzten Brief habe ich an Deine Ansicht, lieber Fe-
renczi, gedacht und nahm an, daß Dich speziell die Mitteilung in-
teressieren würde.Wien: Wir freuen uns zu hören, daß die letzten Schwierig-
keiten wegen des dortigen Instituts überwunden sind. Die Gründung
scheint unter den Wiener Verhältnissen noch etwas mehr zu bedeu-
ten als in Berlin. Auf dem Kongreß wird ein Bericht über die
bisherigen Erfahrungen der hiesigen Poliklinik erstattet werden.
Es wäre wünschenswert, daß ein gleiches von Wien aus geschähe.
-
S.
Das neue Heft des englischen Journals habe ich erhalten und
war erstaunt, darin schon die Übersetzung meines Artikels zu
„finden“.Es ist ganz selbstverständlich, daß meine Vortragsanmel-
dung direkt an Flügel geht. Derartige Mitteilungen in unseren
Rundbriefen sind doch nicht dazu bestimmt, auf indirektem Wege
an Flügel gemeldet zu werden, sondern sollen nur zur Information
unseres Kreises dienen. In der nächsten Sitzung unserer Gruppe
werden die sämtlichen Vortragsanmeldungen aus unserem Kreise zu-
sammengestellt und dann gemeinsam an den Schriftführer in London
gemeldet werden.Ihre Mitteilung, lieber Herr Professor, über das „Medusen-
haupt“ hat uns besonders erfreut, teils als eine direkte Äußerung
von Ihnen, teils wegen des besonders einleuchtenden Inhalts.Von Reik bekam ich wieder eine Klage über das Referatenwesen.
Eine Möglichkeit der Abhilfe sehe ich allerdings nicht.London: Der Brief vom 2. März hatte uns bisher gefehlt. Besten
Dank für die nachträgliche Zusendung.Was Du, lieber Jones, über die in Berlin ausgebildeten Mitglie-
der schreibst, hat besonders mich persönlich sehr erfreut. Von
den beiden Brüdern Gl[over] ist der ältere sicher besonders originell
begabt, während der jüngere mehr kritisch ist, aber ohne Zwei-
fel einmal ein sehr guter Lehrer auf unserem Gebiet sein wird. Was
Frau Dr. Herford betrifft, so sieht man an diesem Beispiel wieder,
daß man derartige Leute besser in den Verein aufnimmt, um eine
Kontrolle über sie zu haben. Sich selbst überlassen, würden sie
gegen unsere Interessen arbeiten.Zur Frage der Angabe von Titeln usw. bei den Namen der Ver-
fasser in unseren Zeitschriften ist vielleicht folgender Vorschlag
verwendbar. Da aus Jones’ Ausführungen hervorgeht, daß die Hinzu-
fügung solcher Bezeichnungen für viele Fälle ungeeignet ist, so
wäre es vielleicht zu empfehlen, dem Inhaltsverzeichnis jeden Jahr-
ganges ein Verzeichnis der Mitarbeiter mit genauer Angabe ihrer
Titel, Stellung, des Wohnortes usw. beizugeben.Die von Dir erwähnten Briefe von Flügel sind nicht angekommen.
Wir werden daher im Laufe der nächsten Monate aufpassen müssen,
ob nicht Briefe, die für den Kongreß von Wichtigkeit sind, unbeant-
wortet bleiben und sie eventuell wiederholen.Vor kurzem erhielt ich aus Amerika ein Buch von einem mir
unbekannten Verfasser, namens Pierce, betitelt: „Our unconscious
-
S.
mind and how to use it.“ Es handelt sich um ein amerikanisches
Produkt, wie wir es hier überhaupt nicht kennen, d. h. um einen
Versuch, die Wissenschaft vom Unbewußten für Zwecke des Ge-
schäftslebens und der Reklame zu benut- zen. Gleichzeitig erhielt
ich von dem Verleger einen Brief, in dem er sich auf Dich, lie-
ber Jones, bezieht. Ich vermute, daß das ein Schwindel ist
und füge den Brief für Dich bei.Besteht bisher Aussicht, daß irgend jemand aus Frankreich zum
Kongreß kommt?Ich habe noch zu berichten, daß ich am 27. Mai einen Vor-
trag in Leipzig hielt. In dem Kreis befanden sich immerhin einige
verständnisvolle Leute, so z. B. 2 Assistenten der Universitäts-
Nervenklinik, ein paar ernstlich interessierte Studenten und ein
gut unterrichteter Psychologe. Wirklich informiert ist nur Frau
Dr. Benedek, die allerdings nicht aus Leipzig, sondern aus Bu-
dapest ist und das macht die Sache erklärlich. Der Leiter der
Sitzungen, Dr. Knopf, ist sehr unvollkommen unterrichtet und
bereitete mir als einziger in der Diskussion Schwierigkeiten.
Jedenfalls hat sich der Eindruck bestätigt, daß die Leipziger
Vereinigung durchaus nicht reif ist, korporativ in unsere Ver-
einigung aufgenommen zu werden.Mit besten Grüßen
Abraham Sachs Eitingon