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    W. 6/ B. 6, Bu. 5 (statt 6), L.6                Wien, 1. März 1921

    Liebe Freunde!

    Diesmal beginnen wir mit Nachrichten über
    Amerika.

    Von Brill ist keine Antwort gekommen und auch keine
    zu erwarten. Er hat nach des Professors Auffassung infolge
    der Schlechtigkeit seiner Übersetzungen ein schlechtes Ge-
    wissen und kann, da ihm dieses Vergehen nie vorgehalten wor-
    den ist, jetzt nur mit neurotischer Empfindlichkeit reagie-
    ren. Auch verträgt er Jones’ Erhebung zum Präsidenten nicht,
    da er gegen ihn immer die stärkste Eifersucht gehegt hatte.
    Der Professor fürchtet, man wird ihn fallen lassen müssen,
    trotz seiner vielen guten Seiten und seiner Verdienste.
    Im Moment, da jemand seine eigenen Torheiten über das allge-
    meine Interesse setzt, hat er nach dem Urteil des Professors 
    den Anspruch auf Schonung verloren. Anders läßt sich eine
    allgemeine Sache nicht führen.

    In den ersten Märztagen erwartet der Professor zur
    Analyse Dr. Frink aus New York, der sich noch einen Dr. Monroe
    Meyer, gleichfalls zur Analyse mitbringt. Dr. Stern, der nach
    dem Kongreß beim Professor war, hat für sich viel profitiert,
    ist aber eine unbedeutende Persönlichkeit. Von Frink erwartet 
    Prof. nach verschiedenen Anzeichen mehr; er ist auch kein Ein-
    gewanderter, und wenn sein Eindruck die Erwartungen bestä-
    tigt, möchte der Professor mit Zustimmung des Komitees ihn 
    an die Brill zugedachte Stelle vorrücken lassen.

    Die jetzt lebhafteren persönlichen Beziehungen zu
    Amerika sind für die Zukunft nicht gleichgültig. Es ist zu
    hoffen, daß die hier vom Professor Analysierten dort eine
    Kerntruppe in dem leicht zerfließlichen Gemenge werden ab-
    geben können. Dieser Gesichtspunkt kommt noch bei einem
    anderen Fall in Betracht. Dr. Oberndorf, von dem Professor nichts
    weiß als daß er jetzt Präsident der Newyorker Gruppe ist, 
    hat sich gleichfalls zur Analyse angemeldet. Er kann erst im 
    Juni kommen, will aber über den Sommer bleiben, wenn Prof.
    seine Begleitung nach Gastein usw. annimmt und dort die Ana-
    lyse fortsetzt. Das hat nun der Professor bisher noch nie
    mit einem Patienten getan; für einen Schüler könnte er sich,
    wenn seine Person es lohnt und er den Professor sonst in
    Ruhe läßt, vielleicht dazu entschließen. Prof. wird es davon
    abhängig machen, was Frink über Oberndorf sagt, bittet aber

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    auch um Eure, besonders Jones’ Äußerung. Im Falle einer gu-
    ten Zensur für O. könnte der Prof. auch dazu seinen Sommerver-
    brauch durch Dollars decken lassen, was sehr angenehm wäre, 
    aber für sich allein nicht Motiv werden dürfe. Professor hat
    immerhin ein Drittel seines Vermögensstandes vor dem Krieg
    wiedergewonnen.

    Das Kabel von Harris, Philadelphia, hat sich jetzt
    durch einen ehrlich klingenden Brief erläutert. H. ist ein
    ‚Contracter and Builder‘, 48 Jahre alt, der ein Vermögen von
    300.000 Dollars angesammelt hat und seit vielen Jahren an
    Angsthysterie leidet, sich nicht auf die Straße wagt. Er hat
    sich in den letzten zwei Jahren einmal wöchentlich Frink
    aus New York nach Philadelphia kommen lassen. Aber das reichte
    natürlich nicht aus. Dem Analytiker, den er jetzt kommen las-
    sen will, zahlt er 5000 Dollars für seine eigene Behandlung
    im ersten Jahre, verschafft ihm office und Wohnung und führt
    ihm andere Patienten zu. Wenn seine Kur gelingt, will er eine
    Prämie von 10.000 Dollars zahlen (in Europa bekanntlich ein 
    böses Omen).

    „Nach Amerika ein zweites, weniger erfreuliches Land:
    die Schweiz. Von dort kam ein vom Vorstand der Schweizerischen
    Gruppe offiziell unterzeichneter Brief an den Verlag, der
    sich in einer affektiven Art gegen Groddecks Buch wendet,
    die wir glaubten, auf die aus der Kopie ersichtlichen Art 
    in freundschaftlicher Weise zurückweisen zu müssen (Beide 
    Kopien liegen bei.)

    „Ad. B.: Deine Vorschläge, lieber Abraham, betreffs Kolnai 
    erscheinen uns zu umständlich, kompliziert und teilweise un-
    durchführbar; die ganze Sache ist nicht so viel Aufhebens
    wert. Da wir nun die eigentliche Geschäftsführung der Berli-
    ner Gruppe in anderen Händen glauben, fragen wir nochmals an, 
    was aus den beiden Frankfurter Assistenten geworden ist, die 
    sich bereits vor dem Kongreß angemeldet hatten?? Ferner 
    vermissen wir die gewünschte Aufklärung über die Geldanweisung
    an Volckmar! Wieviel und von wem wurde dort eingezahlt 
    und wohin gehört das Geld eigentlich? Wir müssen dies rasch
    erfahren, da ein nicht stimmender Posten wie dieser unsere 
    ganze Verrechnung mit Volckmar, die allmonatlich erfolgt, un-
    möglich macht. (Volckmer ist unsere Leibziger Kommissionär, I. 
    Jones). Ferner sandte Liebermann vor einiger Zeit einen un-
    vollständigen Bericht der Berliner Gruppe (u. zw. die zweite 
    Hälfte desselben), mit dem Versprechen, die erste Hälfte wer-
    de einige Tage später folgen. Ich (Rank) schrieb ihm hierauf, 
    daß dieser fehlende Teil sofort benötigt werde, da das 
    Heft 1 (ohnehin verzögert) bereits im Druck sei. Bis heute ist 
    natürlich nichts gekommen, so daß der Berliner Bericht von
    allen Gruppen der einzige unvollständige sein wird. Ich (Rank)
    empfinde derartige Unverläßlichkeiten persönlich besonders
    stark; 1. weil sie mir Schreibereien verursachen, von denen
    ich ohnehin schon zuviel habe und 2. weil sich doch jedes
    kleine Versäumnis eines Mitarbeiters bei mir zu einem gros-

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    großen Fehler auswächst (Heft erscheint verspätet, Kassa- oder Bilanz-
    Abschluß kann nicht gemacht werden, der oder jener Bericht
    muß warten, der von anderer Seite urgiert wird etc. etc.).
    Daraus erklärt sich meine sogenannte Gereiztheit, die ich
    als eine berechtigte Reaktion so lange vertreten kann, als 
    man von mir entsprechende Leistungen verlangt und als ich
    selbst sie von mir verlange.

    Die Stekelschen Bücher waren, wie ich Sachs mitteilte, 
    für die Bibliothek der Poliklinik bestimmt, wo sie meiner 
    Ansicht nach nicht fehlen dürfen; sollten sie aber auch dort 
    nicht gewünscht werden, erbitten wir sie zurück.

    Hat Dir, l. Abraham, Schmitz sein neues Buch: Das 
    hysterische Geheimnis zugeschickt und willst Du es besprechen?

    ad Bu.: Wie steht's mit der Groddeck-Besprechung? Wenn 
    sie sehr bald kommt, kann sie noch in die eben in Arbeit bef-
    indliche Imago-Nummer kommen. Ich schrieb Dir, l. F., verschie-
    dene Male privat, urgierte auch entlehnte Sachen, die andere 
    Referenten brauchen, ohne daß Du auf irgend etwas reagier-
    test.

    Nochmals ad Berlin: Von Abraham erhielt ich eine An-
    zahl (oder alle) meiner bibliographischen Zettel, ohne ein 
    Wort des Kommentars, was damit ist (welche aufgenommen 
    wurden und welche nicht). Ich hoffe doch, daß das Bibliographi-
    sche damit nicht ewig an mir haften bleiben wird und werde 
    glücklich sein, wenn das nächste Mal der Bericht ohne meine 
    Mitwirkung besser ausfallen wird als der diesjährige. Aber 
    für diesmal muß ich nochmals dringend das Referat von Boehm 
    urgieren, dessen Einsendung mir deswegen doppelt dringend 
    erscheint, weil ich ahne, daß es nicht ohne weiteres brauch-
    bar sein wird und noch einiger Korrekturen bedarf, die doch 
    auch Zeit erfordern. Außer diesem fehlen nur noch Abraham 
    und Ophuijsen, der seines für die nächsten Tage bereits ange-
    kündigt hat.

    ad L.: Die Angelegenheit Berkeley-Hill erscheint da-
    durch, daß er selbst die Note schreibt, erledigt. Photos 
    vom Professor befinden sich bereits in größerer Anzahl bei Miss 
    Low. Weitere können jederzeit vom Schwiegersohn des Professors 
    Max Halberstadt, Hamburg, Hauer Wall, bezogen werden. Ein 
    Dr. Hea vom Hospital Tooting bei London schrieb dem Professor an 
    um ein Bild.

    Mit Jones’ Vorschlag, die Beiträge der Zentral-
    Länder in Mark nach Berlin zu überweisen, sind wir sehr ein-
    verstanden.

    Mit herzlichen Grüßen
    [Rank Freud]

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    [Beilage: Notiz von Freud an Rank]14 Über Brill u. Amerika

    Von Brill ist keine Antwort gekommen und ist auch nicht zu erwarten. Er hat ein schlechtes Gewissen infolge der Schlechtigkeit seiner Überset- zungen und kann, da dieses Vergehen ihm nie vorgehalten worden ist, jetzt nur mit neurotischer Empfindlichkeit reagieren. Auch verträgt er Jones Erhebung zum Präsidenten nicht, da er gegen ihn immer die stärks- te Eifersucht gehabt hat.15 Ich fürchte man wird ihn fallen lassen müssen, trotz seiner vielen guten Seiten und seiner Verdienste. Im Moment da jemand seine eigenen Thorheiten über das allgemeine Interesse setzt, hat er nach meinem Urteil den Anspruch auf Schonung verloren. Anders läßt sich eine allgemeine Sache nicht führen. In den ersten Märztagen erwarte ich zur Analyse Dr. Frink aus New York, der sich noch einen Dr. Mon- roe Meyer (gleichfalls zur Analyse mitbringt). Dr. Stern der nach dem Kongreß bei mir war, hat für sich viel profitiert ist aber eine unbedeuten- de Persönlichkeit. Von Frink erwarte ich nach verschiedenen Anzeichen mehr, er ist auch kein Eingewanderter und wenn sein Eindruck die Er- wartungen bestätigt, möchte ich mit Zustimmung des Komité’s ihn an die Brill zugedachte Stelle vorrücken lassen. Die jetzt lebhafteren persönli- chen Beziehungen zu Amerika sind für die Zukunft nicht gleichgültig. Es ist zu hoffen, daß die hier von mir analysierten dort eine Kerntruppe in dem leicht zerfließenden Gemenge werden abgeben können. Dieser Ge- sichtspunkt kommt noch bei einem anderen Fall in Betracht. Dr. Obern- dorf, von dem ich nichts weiß, als daß er jetzt Präsident der NY Gruppe ist, hat sich gleichfalls zur Analyse angemeldet. Er kann erst Juni kom- men, will aber über den Sommer bleiben, wenn ich seine Begleitung nach Gastein eher annehme und dort die Analyse fortsetze. Das habe ich bisher nun nie mit einem Pat. getan, für einen Schüler könnte ich mich, wenn seine Person es lohnt und er mich sonst in Ruhe läßt, vielleicht dazu entschließen. Ich werde es davon abhängig machen, was Frink über

    O. sagt. Bitte aber auch um Eure (bes. Jones) Äußerung. Im Falle einer guten Zensur für O. käme ich auch dazu meinem Sommerverbrauch durch Dollars decken zu lassen, was angenehm wäre, aber für sich allein nicht Motiv werden darf. Ich habe immerhin ein Drittel meines Vermö- gensstandes vor dem Krieg wiedergewonnen. Das Kabel von Harris

    /Philadelphia hat sich jetzt durch einen ehrlich klingenden Brief erläutert.

    H. ist ein Contractor and Builder, 48 Jahre alt, der ein Vermögen von Dollar 300.000, angesammelt hat, seit vielen Jahren an Angsthy[sterie] leidet und sich nicht auf die Straße wagt. Er hat sich in den letzten 2 Jah- ren einmal wöchentlich Frink aus NY nach Phil[adelphia] kommen las- sen, aber das reichte natürlich nicht aus. Dem Analytiker, den er kommen lassen will, zahlt er Dollar 5000, für seine eigene Behandlung im ersten Jahr, verschafft ihm Office und Wohnung und führt ihm andere Pat. zu. Wenn seine Kur gelingt, will er eine Prämie von Dollar 10.000 zahlen (in Europa bekanntlich ein böses Omen!).