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Wien, den 15. Mai 1922.
Liebe Freunde !
Zunächst die erfreuliche Nachricht, daß die
dem Ambulatorium entgegenstehende Schwierigkeiten
behoben sind, und daß das psa. Ambulatorium Montag,
den 22. eröffnet wird. Die Adresse ist, Wien IX.
Pelikangasse 18.Vom Verlag ist das Erscheinen des neuen
Beiheftes von Hollós–Ferenczi: „Paralytische Geistes–
störung“ zu melden, sowie das Erscheinen von Heft
1 des 3. Jahrg. des engl. Journal, dessen Verspätung
beim 2–ten Heft, das nahezu fertiggestellt ist,
eingebracht wird. (Wir hoffen, daß das verspätete
Erscheinen von Heft 1 für die Neu–Abonnements nicht
ungünstig sein wird.)Von Übersetzungen ist zu berichten, daß
der Verlag Alcan, Paris sich verpflichtet hat eine
getreue Übersetzung der Traumdeutung zu bringen,
und einen Dr. Mayersohn als Übersetzer vorgeschlagen
hat. – „Jenseits des Lustprinzips“ ist von einem
Amsterdamer Verleger für Übersetzungen ins Holländische
erworben worden. In der italienischen Bücherei er–
scheinen als die nächsten Bände: „Gradiva“ und das
„Tagebuch“; ferner ist eine zweite Auflage des
„Il Sogno“ („kl. Traum“) notwendig. Von diesem Werk
beabsichtigen wir übrigens auch eine polnische Aus–
gabe zu veranstalten, da dort ein reges Interesse für
die Psychoanalyse sein soll. Zum italienischen ist
noch zu bemerken, daß sich unser Verlag auf der jetzt
stattfindenden Internationalen Büchermesse in Florenz
beteiligt. Ferner wollen wir noch mitteilen, daß der
Verlag sich mit Rücksicht auf die fortwährende Geld–
entwertung zu einer Erhöhung des durchschnittlichen
Autorenhonorars auf Mk. 200.– pro Druckbogen (auch
für die Zeitschriften) entschlossen hat. –Von der Vereinigung ist nur zu berichten,
daß Frl. Anna Freud, sich um die Mitgliedschaft be–
wirbt und im nächsten Monat einen Vortrag halten wird.
Ferner bewirbt sich Frau Lou Andreas–Salomé um die
Mitgliedschaft, jedoch mit dem besonderen Wunsch, in
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Wien aufgenommen zu werden, da sie hier die meisten
Mitglieder seit vielen Jahren persönlich kennt, und
auch öfter Gelegenheit hat, nach Wien als nach Ber-
lin zu kommen. Wir möchten daher die Zustimmung dazu
der Zentrale nahelegen.Ad Budapest: Gegen Deinen Komitee-Vorschlag, lieber
Ferenczi, haben wir verschiedene Bedenken, und sind
auch dafür, die Sache bis zum Kongreß aufzuschieben.
Den letzten Londoner Brief legen wir bei, bitten um
Retournierung.Ad Berlin: Die Anzeige des Kongresses soll in der
nächsten Nummer der Zeitschrift, welche anfangs Juli
erscheinen wird, in auffälliger Weise erfolgen. Wir
erwarten dazu aber auch noch nähere Mitteilungen aus
London über Anmeldungstermine etc. etc. Um noch ein
letztes Mal auf die Frage des Kongreß-Essens zurück-
zukommen, möchten wir nur feststellen, daß wir dage-
gen sind, daß von den valutarischen Ausländern mehr
verlangt werde, als der Preis des Gedeckes wirklich
beträgt. Nur dagegen wäre eventuell nichts einzuwenden,
daß für andere eine Ermäßigung eintritt, und die sich
daraus ergebene Differenz etwa aus der Zentral-
kasse oder irgendeinem Kongreß-Fond gedeckt wird;
nicht aber, daß die dort anwesenden Ausländer ihre
Kollegen ganz oder teilweise freihalten. – Bei dieser
Gelegenheit möchten wir auch Dir, l. Abraham nahelegen
Deine Vortragsanmeldung direkt an Flügel zu richten,
der ja wie wir wissen, durch die Rundbriefe ohnehin
in den Hintergrund gedrängt wird.Was die Ausstattung unserer Bücher betrifft,
so liegt die Verschiedenheit zum größten Teil in der
Schwierigkeit der Materialbeschaffung.
Deine kleinen Beiträge haben wir erhal-
ten. Dein Beispiel hat den Professor dazu angeregt,
ebenfalls eine kleine Mitteilung beizulegen. Mit dem
heutigen Brief geht gleichzeitig etwas Briefpapier
zur vorläufigen Benützung an Dich ab.Ad London: Von Odier kam ein Separatabdruck aus
Verse 1 Unite über Coué nebst einem sehr verständi-
gen Brief des Odier, welcher die von Baudouin als ge-
heilt angeführten Fälle kennt, und bemerkt daß sie
sehr frei behandelt seien. Der Artikel selbst ist
ziemlich im Sinne der Psychoanalyse. Von Varendonck
erschien im Flambau ein Artikel: „Freud et la Psycha-
analyse.“
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Deine Bemerkungen, lieber Ernest, über unser
Referentenwesen sind leider vollkommen zutreffend.
Wir können nichts anderes tun, als ihr Recht geben
und in Hinkunft also lieber weniger als solche Re-
ferate bringen. Am allerwenigsten können wir natür-
lich mit den ausgezeichneten Referaten von E. J.
im Journal konkurrieren, u. a. bezeugen es bei sol-
chen Gelegenheiten immer wieder auch neue,
daß lieber Ferenczi, ich nicht entschließen konnte,
die gleich kritische Stellung in der Zeit-
schrift einzunehmen. Leider hat auch das hiesige
Referentenwesen heute nicht den gehofften Erfolg
gebracht, wie Sie behauptet, wegen des Widerstands
des Referenten und wir vermuten daher vielmehr
schließen, den Punkt: „Referentenwesen“ z. B.
ja auch in Neuorganisation des Kongresses
gehört, in einer geschäftssitzung des Kongresses
einzubringen, damit endlich einmal auch
in dieses verfahrene Geleise, Ordnung gebracht
würde. Gerade dies ist, ist doch ein Punkt, wo ein
Vorwurf keinem Einzelnen verantwortungsvoll tref-
fen kann, sondern die Gesamtheit der Analystiker.
Schließlich noch ein Wort über die englische Aus-
gabe der Sammlung auf d. Continent. Wir möchten
für l. Ernest nochmals betonen, daß die Übersetzung
der Traumdeutung englischerseits schon beim Ver-
trag beginnen könnte. Der Verkauf der Bücher in
Amerika, der sehr viel zu wünschen übrig lässt,
könnte und müsste unbedingt gehoben werden, da
beispielsweise im letzten Halbjahr 1921 von den
Vorlesungen über 7000 Exempl. verkauft wurden,
während das mit unseren Büchern und dem Journal auch
nicht in annähernder Proportionalität der Fall ist.
Nun hat sich der Neffe des Professors Edward Ber-
nays in New York erbötig gemacht, für den Vertrieb
unserer Bücher in Amerika etwas zu tun, doch möchte
ich die Entscheidung hierüber, l. Ernest, über-
lassen, da die Press z. Z. mit dem Vertrieb des
Journals durch Herrn Bernays keinen besonderen Er-
folg hatte.Mit herzlichen Grüssen