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S.
Antwort auf L. W. Bp. vom 21/2
Berlin 1.3.21Liebe Freunde,
Es war meine Absicht, den diesmaligen Brief Sachs zu über-
lassen. Aber inzwischen erhielt ich Briefe von Jones & Ferenczi, die
ein allgemeineres Interesse bieten, und die ich daher an dieser Stelle
beantworten möchte.Deine Vermutung, l. Jones, betreffend den „sekundären“
Narzißmus als Quelle der Störung im freien Assoziieren hat mich sehr
interessiert. Ich glaube, daß es eine notwendige Ergänzung zu dem vor mir
allein berücksichtigten primären Narzißmus ist. Mir scheint, daß einer mei-
ner Fälle ganz genau der von Dir gegebenen Analyse entspricht. Die Pat.
hat alle von Dir erwähnten Züge: Außergewöhnlich starken Kastr.-K[omplex]. Ent-
täuschung durch den Vater (von dem die Mutter ein Kind bekam) und in
der PsA die Neigung, sich vom Arzt enttäuscht zu fühlen. Die Rück-
wendung zum Narzißmus hat sicher diese Ursache gehabt. Doch weiß ich, daß
es der Pat. auch ursprünglich schwer geworden war, den prim. Narzißmus zu
überwinden. Ich füge Deinen Brief für Wien bei und bitte Rank um Weiter-
gabe nach Bp.Deine Anfrage, l. Ferenczi, betr. Frau Dr. Herford ist in
der Hauptsache schon durch den letzten Berliner Rundbrief beantwortet.
Frau H. bemüht sich nachträglich, alle von Jones geäußerten Bedenken
zu bestätigen, nachdem sie sich ganz vernünftig benommen hatte, solange
sie in Berlin war und in unserem Verein bzw. in meiner Familie ver-
kehrte. Man kann nichts anderes tun, als höflich und entschieden ablehnen.
Die in dem Brief genannte Garantiesumme ist anscheinend 100 Pounds.Die andere Anfrage betrifft den sonderbaren Brief von
Stockmayer; die Auskunft über ihn interessiert vermutlich auch den
übrigen Kreis. St. war längere Zeit Assistent der psychiatrischen Universitäts-
klinik in Tübingen und wurde von seinem Chef (Gaupp) ungefähr im Jahre
1909 zu Jung geschickt, um sich über PsA zu orientieren, d. h. mit einer
ablehnenden Beurteilung zurückzukehren. St. geriet aber stark unter J’s
Einfluß. 1915 erschien er in Berlin, um sich niederzulassen und erbat
meine Unterstützung, mit deren Hilfe er nach wenigen Monaten voll be-
schäftigt war. Er neigte in der Zeit des Schismas stark zu Jung. In einer
Sitzung hielten damals Eitingon und ich ablehnende Referate über J’s
„Versuch einer Darstellung der psa Theorie“. St. vertrat damals allein
den Jung’schen Standpunkt und fühlte sich isoliert, kam nicht mehr zu den
Sitzungen und schien die Absicht zu haben, Berlin wieder zu verlassen.
Er verschwand dann, ohne von irgend jemandem Abschied zu nehmen und
schrieb einige Monate später, nachdem der Krieg ausgebrochen war, ir-
gend etwas über seinen Austritt an mich. Seitdem hörte ich nie mehr
direkt von ihm. Er meidet uns also seit ca. 7 Jahren! Jede neue An-
knüpfung mit ihm erscheint nutzlos, zumal wenn man seine Entwicklung
zurTheosophie etc. aus dem Brief ersieht.
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S.
Da Abraham sich bereits als Urlauber betrachtet,
schreibe ich (Sachs) weiter und muß mit der Bemerkung
beginnen, daß nur wer A’s Tätigkeit aus der Nähe ge-
sehen hat, den ganzen Umfang seiner Arbeitskraft u. Opfer
willigkeit nach Gebühr beurteilen kann.London: Natürlich bin ich gerne bereit, die Gelder
zu übernehmen und zu verwalten. Meine Bank ist die Diskont-
Gesellschaft, Depositenkasse Kurfürstendamm 217.Wien: Ich habe vom Lager insgesamt für 2200 M. Bücher
verkauft. Abrechnung ist heute an Rank gegangen. Ein
Einkäufer der russischen Regierung ist durch Frl. Dr. Neiditsch
angesagt. Es will einen größeren Posten Literatur für Univer-
sitäten etc. kaufen. Privat-Ankauf von Büchern ist dort
verboten.Budapest: Frau Klein wird voraussichtlich bald einige
pädagog. Vorträge halten.Zu Ostern (20. III.) komme ich voraussichtlich
nach Wien. Finde ich Herrn Prof. u. Rank dort?Mit herzlichen Grüßen
Hanns Sachs