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S.
13.3.12
Prof. Dr. Freud Wien, IX. Berggasse 19.
Lieber Freund
Mit der kostbaren Leonardobestätigung habe ich mich wirklich sehr gefreut. Die Analyse lege ich bei.
Brioni hat uns auf zweite Hälfte April vertröstet. Davon haben wir nichts; ich bitte an ein neues Adriaziel zu denken. Ich möchte von Freitag abends bis Dienstag, eventuell Mittwoch früh ausbleiben.
Mit Jung gab es eine kleine Aussprache1, dieA in ein ganz nettes Einlenken seinerseits auslief. Eine Neigung, sich Privatverhältnisse zu reservieren, bleibt bestehen und wird von mir respektiert, d.h. mit der entsprechenden Reserve beantwortet werden.
Bei Elma scheint es sich um einen wirklichen Fortschritt zu handeln. Sie hat ihn durch ganz verändertes Wesen und einige kluge Einfälle bezeugt, die ich ihr gar nicht zugetraut hätte. Trösten Sie also die Mutter, daß sie sie jedenfalls zum Vorteil verändert wiederbekommt. Ich möchte sie zu Ostern heimschicken. Nun haben neue, aber ganz andere Schwierigkeiten eingesetzt. Wir sind wirklich bei der narzißtischen Strömung, in der sie sich sehr selbständig benimmt und Hilfe eigentlich ablehnt. Die brave Patientin spielt sie nicht mehr, überhaupt keine Rolle. Sie ist jetzt sie selbst, und ich bin neugierig, wie weit ich sie in diesen vier Wochen bringen kann. Ich glaube, es ging nur darum so gut, weil sie mir so utterly indifferent war. Jetzt schätze ich sie natürlich mehr und will die damit verbundene Gefahr scharf im Auge behalten. Für Sie beide gilt, glaube ich, daß Sie einander frisch vornehmen sollen, wenn sie wiederkommt, alles Vorherige als erloschen betrachten.
Daß Sie sich selbst mit der Übersetzung der Drei Abhandlungen abgeben wollen, ist mir nicht mehr recht. Ich glaube, Sie können Besseres tun; und weiß nicht, ob weitere Übersetzungen wünschenswert sind.
In Eile vor der Sitzung
Ihr herzlich ergebener
Freud
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A In der Handschrift: das.
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S.
Berggasse 19
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