• S.

    26. X. 13
    PROF. DR. FREUD        WIEN, IX. BERGGASSE 19.

    Lieber Freund
    Der Brief an Kraus hat die Folge ge-
    habt, daß ich Antwort von Brugsch
    erhielt, die ich Ihnen hiemit einsende.
    Eine faule Antwort, die aber immer-
    hin Fortsetzung der Verhandlungen
    ermöglicht. Ich dachte schon, ich sei auf
    eine besondere Universitätstechnik
    des „Hinausekelns“ gestoßen u würde
    überhaupt keiner Antwort gewürdigt
    werden. Kraus selbst scheint das beste
    Stück an der ganzen Sache zu sein.
    Ich entschließe mich nicht eher zu
    einer Reaktion, als bis ich Ihre Äußer-
    ung u Wohlmeinung habe. Sie sind so
    sehr betroffen dabei, daß Sie das
    erste Wort haben dürfen.
    Es sind auch sonst trübe Zeiten, oder
    vielleicht nur eine Zeit der Vor-
    herrschaft trüber Stimmungen.
    Ich werde mir selbst zurufen müssen:
    Coraggio Casimiro!
    Rank u Sachs sind sehr brav
    u große Stützen für die Sache.

  • S.

    Ferenczi hat gestern eine selten scharfe
    u treffende Kritik des Bleulerschen
    negativen Aufsatzes in der Z f. Psych
    eingesendet. Ihre Kritik der Jungschen
    Theorie im Jahrb. soll sich ihr anreihen,
    wir haben es abgelehnt, sie von Eder
    referieren zu lassen. Es ist jetzt die
    Frage, wieweit Jones die neue Londoner
    Gruppe in unser Fahrwasser lotsen
    kann, davon hängen alle weiteren
    „politischen“ Schritte ab.
    Zur ersten Vorlesung gestern ist mir
    die volle Analogie aufgefallen, welche
    sich dem ersten Davonlaufen Breuers
    vor der Entdeckung der Sexualität
    hinter den Neurosen u der letzten Jungs
    nachweisen läßt. Umso fester steht es, daß
    dies der Kernpunkt der ψA ist.
    Ich grüße Sie u Ihre liebe
    Familie herzlich u erwarte Ihren
    Bescheid.
    Ihr Freud