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S.
Seefeld i. Tirol, am 1. August
Liebe Freunde!
Vor allem die Nachricht, daß der Professor seinen Gasteiner Auf-
enthalt, wo er sich scheinbar sehr wohl fühlte, ab 1. August mit Berchtes-
gaden vertauscht hat (Hochgebirgskurhaus Obersalzberg; die Adresse gilt
bis Ende August.) Gleichzeitig kann ich die erfreuliche Mitteilung machen,
daß Ferenczi und Frau heute hier eingetroffen sind und Ferenczi sich wohl
noch an diesem Rundbrief (wenigstens durch Lesen und Unterschreiben) be-
teiligen wird. – Um das Persönliche gleich zu erledigen, bemerke ich noch,
daß Sachs am 15. Juli hier durchgefahren ist und versprach, sich auf der
Rückreise am 15. August hier aufzuhalten. Da auch Du, l. Abraham schreibst,
daß Du hoffst, am 15. August hier durchzukommen, ich und Ferenczi aber den
ganzen August über hier bleiben, so wäre es wirklich sehr schön und wie
ich glaube zur Einleitung der Komité- und Kongreßarbeit auch sehr nütz-
lich, wenn wir für Mitte August in Seefeld eine intime Zusammenkunft ver-
anstalten würden.Nun einige Neuigkeiten, die sich doch trotz der Ferien angesammelt haben.
Verlag: Die Nummern 2 von Zeitschrift, Imago und Journal sind fertig und
die betreffenden Nummern 3 sollen zum Kongreß ausgegeben werden.
Von deutschen Büchern des Professors (2. Teil der Vorlesungen, „Über den Traum“), ist
als erstes erschienen, die anderen folgen bald. In der Press werden noch
im Sommer fertig: engl. Ausgaben von „Massenpsychologie und Jenseits“.
Von den italienischen Büchern geht jetzt in Satz: „Tagebuch“, „Gradiva“ und
die 2. Auflage vom „kl. Traum“. – Mit dem Ungarischen Weltliteratur-Verlag
in Budapest ist der Vertrag perfekt, wonach dieser Verlag nunmehr das
Recht zur Herausgabe von „Vorlesungen“, „Alltag“ und „Jenseits“ herauszuge-
ben (Näheres Ferenczi).Manuskripte: Vom Prof. erscheint in No. 3 der Z. eine kurze Notiz
zum „kl. Hans“, sowie eine Arbeit über neurotische Mechanismen bei
Eifersucht, Paranoia und Homosexualität. Ferner schrieb der Prof. in
Gastein noch einen Artikel „Zur Praxis und Theorie der Traumdeutung“,
der voraussichtlich in No. 1 des nächsten Jahrgangs der Z. erscheinen
wird. Hermann (Budapest) sandte eine größere grenzpsychologische Arbeit,
die vermutlich als nächstes Beiheft herauskommen dürfte. Von Frau Dr. Mül-
ler (Berlin) kam ein Artikel „Zur Rolle der Urethralerotik in der Ätiolo-
gie der depr. Neurosen“ (noch nicht gelesen); von Frau Klein eine Fortset-
zung ihrer Kinderanalyse, bes. über „Angst“ (noch nicht gelesen); kleinere psych-
iatrische Mitteilungen von Dr. Hollós. Die Arbeit der Frau Lowtzky wird we-
gen der Bemerkungen, die der Prof. dazu machen will, erst in Heft 4 erschei-
nen können (für Eitingon bes.).
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S.
Der junge Flournoy in Genf hatte eine Arbeit über „indische Sexualsymbolik“
der Imago angeboten, und als ich sie bereits übersetzen ließ, mit der
Motivierung zurückgezogen, er wolle sie lieber bei Claparède („Archives“)
publizieren. Ich warne also besonders Dich, l. Ernest und das Journal vor seinen
rein egoistischen Angeboten.Bewegung: Eben während ich den Rundbrief schreibe, kommt das letzte Heft
von „Psyche and Eros“, das letzte im wahren Sinne des Wortes, denn es wird
angekündigt, daß das Erscheinen zeitweilig eingestellt wird und statt
dessen ab September eine Vierteljahresschrift zu erscheinen beginnt:
„The Journal of Sexology and Neo-Psychanalysis“ (so mit diesem Druckfehler);
das „Neo“ charakterisiert sich so durch falsches Schreiben der alten Psa).
Das neue Journal wird mit Dr. Wm. J. Robinson zusammen herausgegeben. In
der letzten Nummer von „Psyche & Eros“, auf deren Umschlag Tannenbaum be-
reits allein als Herausgeber steht, scheint er besonders frech zu sein (ich
hab’s noch nicht gelesen) und beschäftigt sich in gewohnter Weise mit der
Neo-Verbesserung der Freudschen Analysen (diesmal hat es ihm „aliquis“ an-
getan). Ich glaube aber doch, daß wir das Eingehen von „Psyche & Eros“ als
Erfolg für uns buchen können, aber nur als dauernden und wirklich positi-
ven, wenn es uns gelingt, unser englisches Journal auf eine Höhe zu bringen,
die es bisher noch nicht erreicht hat.Aus Kasan schreibt der Präsident der dortigen Ges. f. Sozialwissenschaften,
daß sich dort eine psychoanalytische Gesellschaft gegründet hat, die uns auch
von Zeit zu Zeit Nachrichten über ihre Tätigkeit zukommen lassen will.Dr. Reik hat ein Memorandum ausgearbeitet, welches die Unzulänglichkei-
ten unseres Referatenwesens zusammenfaßt und Vorschläge zu seiner Verbes-
serung, sowie zur Herausgabe des Jahresberichtes enthält, welche den Kongreß
beschäftigen werden.Zu den letzten Rundbriefen möchte ich zunächst die Bemerkungen wört-
lich wiedergeben, die mir der Professor aus Gastein dazu geschickt hat:
„Das mit Brill ist leider richtig. Er hat sich ganz amerikanisiert,
sonst noch immer ein gutmütiger Junge. In Amerika ist, solange
Frink nicht in Tätigkeit ist, kein besserer. Pierce Clark ist nicht
untüchtig, aber Puritaner und nicht tief genug.
Sehr verdienstlich die Förderung von Roheim.
Ich möchte wie Jones vor Überhäufung mit wissenschaftl. Arbeit auf
dem Kongreß warnen. Die Nachmittage sollten für Leichteres, also
Geschäfte reserviert sein. Zuhörer halten solange nicht aus.
Tridon ist köstlich.
Zum freundschaftlichen Angriff gegen Rank, den ich (Freud) sehr
amüsant gefunden habe, muß ich doch äußern, daß ich den Eindruck
habe, die Angreifer sind nicht im Recht. Ich habe ja auch
alles gelesen, was geschrieben wurde.“Wozu ich nur bemerken möchte, daß ich (Rank) Kritik ganz gut vertrage,
wo sie am Platze ist, im übrigen unsere persönliche Freundschaft und
sachliche Zusammengehörigkeit hoch erhaben über so kleine Differenzen
und Affektreaktionen empfinde, und sicher bin, darin einer Meinung mit
den anderen zu sein.
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ad Berlin: Ein Dr. Lungwitz (Charlottenburg) hat dem Verlag einige
Romane auf psa. Grundlage („Inzest“) angeboten. Ich habe
freundlich abgewunken, worauf er mir schrieb, er werde bald auch
wissenschaftliche Arbeiten einschicken und habe sich an Dich, l. Abraham,
wegen Aufnahme in die Vereinigung gewandt. Mir ist er als Heraus-
geber oder Redakteur einer kleinen Zeitschrift „Praktische Medi-
zin“ (?) in Erinnerung, wo er öfter unsere Bücher besprochen hat.
Was wißt ihr über ihn?ad London: Lieber Ernest, wir hoffen, daß es Dir gelungen ist, die
Frage Deines Ordinationsraumes befriedigend zu lösen.Deine Fragen wegen Don Juan und Dr. Barkas habe ich s. Z. sofort be-
antwortet. Heute bitte ich Dich, doch einen Kongreßvortrag von mir
bei Flügel anzumelden (dem ich übrigens gleichzeitig darüber schreibe),
aber wegen der Unsicherheit seiner Adresse teile ich es auch Dir mit.
Der Titel ist „Perversion und Neurose“.Was die Sammlung kl. Schriften vom Prof. betrifft, so habe ich
nichts gegen Deinen Vorschlag von drei Bänden, außer daß ich glau-
be, daß dies doch den endgültigen Erscheinungstermin hinausschiebt.
Aber das scheint schon einmal das Schicksal der Press-Publikationen
zu sein, um die ich mich begreiflicher Weise nicht sehr viel kümmern
kann, da ich ja fortgesetzt bemüht sein muß, auch die unheimlich
wachsende Last des deutschen Verlages allmählich von meinen Schul-
tern zu wälzen, da mir die Oberaufsicht und die Zeitschriften-Redak-
tion zusammen mit dem Lektorat des Verlages – abgesehen von
meinen eigenen Arbeiten, die auch immer drängender werden – ohne-
hin schon mehr zu tun gibt als ich bewältigen kann. So sehe ich
mich jetzt schon genötigt, zu dem Personal von 10 Arbeitskräften,
über die der Verlag jetzt verfügt, im Herbst eine Sekretärin zu
engagieren, die mir einen Teil meiner persönlichen Arbeitsleis-
tung abnehmen muß, da ich sonst unrettbar stecken bleibe.Eine Bemerkung muß ich aber noch zur Press erlauben. Es ist
mir wiederholt in Anzeigen und Reviews aufgefallen, daß Allen &
Unwin unsere Bücher anzeigen lassen, ohne die Press zu erwähnen.
Der letzte Fall dieser Art – dem aber schon mehrere vorangegan-
gen waren – war eine Anzeige der beiden noch gar nicht erschienenen
Bücher des Professors („Jenseits“ und „Massenpsychologie“) in der Times,
wo es hieß, daß Allen & U. diese beiden Bücher in Vorbereitung
habe. Ich schrieb an Hiller, er möge gegen diese unsaubere Art
der Reklame, die unsere Arbeit in der unverschämtesten Weise aus-
nützt, protestieren, da ich nicht gesonnen sei, mir diese Ausbeutung
gefallen zu lassen.Mit freundlichen Grüßen
Otto Rank
Ferenczi