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W i e n 11 am 23. (21.) Dezember 20


 

Wir bestätigen den Empfang von Budapest 9und London 113, die uns zur Beantwortung vorliegen (heute, wo ich den Brief – verspätet – schreibe, liegen bereits Budapest 10und Berlin 11und 12vor, auf die ich jedoch nicht eingehen kann, bevor wir unsere nächste Zusammen- kunft: Mittwoch den 29. ds. haben). Hoffentlich stellt sich der Kontakt, der durch die Neuordnung der Brieftage ein wenig verloren ging, bald wieder her. Außerdem fühle ich mich allerdings auch persönlich der Verspätung schuldig, aber es war mir in der letzten Woche vor Weih- nachten physisch einfach unmöglich, selbst den dringendsten Anforde- rungen gerecht zu werden. Reik, der zu Neujahr aus dem Verlag austritt, um die bibliographische Zentraleeinzurichten, ist seit einigen Tagen auf Urlaub, so daß ich auch die bisher von ihm besorgte Auslieferung der Bücher übernehmen müßte, die jetzt vor Weihnachten besonders drin- gend war und durch die Ankunft einer Reihe von Neuerscheinungen kaum zu bewältigen war. Außerdem kam gerade zur selben Zeit Hiller in Wien an, der in seine Arbeit eingeführt werden mußte, daneben läuft die Bilanz-Arbeit und alles andere Gewöhnliche, mit dem ich ohnehin nie- mals fertig werden kann. Ich kann darum auch heute nicht so viel berich- ten als mir möglich wäre, wenn ich nicht eine uneröffnete Post von etwa 30 Briefen und ebenso vielen Drucksachen und Korrekturen liegen hätte, worunter sich vermutlich manches Mitteilenswerte befinden wird; auch Büchereinkauf und Bibliographie müssen zurückstehen. 

London: Flügel sandte mir eine Kopie des ungarischen Berichts und ich lege Jones eine Kopie des letzten Wiener Berichtes (von Reik) bei. – Deine Mitteilungen über die Press-Kampagne sind sehr interessant.Der Professor stellt Dir, l. Ernest, seine Bemerkungen über »Mohamet« zur Verfügung: im Falle Du es für gut hältst, kannst Du vielleicht eine redak- tionelle Fußnote dazu machen, welche auf die Möglichkeit einer weite- ren Problemstellung hinweist (dies scheint mir, Rank, sehr zweckmäßig). Für die französische Bibliographie besten Dank. – Bei dieser Gelegen- heit die Nachricht, daß Flournoys Schwager, Dr. de Saussure, das Refe- rat über die franz. Literatur für den Jahresbericht übernommen hat (unge- fähr 50 Nummern!!).Wir würden uns sehr für das neue Journal of Neu- rology interessieren und bitten Dich, l. Jones, uns den Tausch mit ihm zu vermitteln.-

Wien: Es sind in dieser Woche versandt worden: Zeitschrift Heft 410,

wozu ich mit einer gewissen Genugtuung bemerken muß, daß es das ers- te Mal seit Kriegsausbruch ist, daß unsere Zeitschriften innerhalb eines Jahres komplett erschienen sind; die Verspätung des Journals hoffen wir jetzt mit Hillers Hilfe bald einzuholen. Ferner wurden ausgegeben: Psy- chopathologie11, auf die bereits gegen 300 Vorausbestellungen vorlagen, Jenseits12, Pfister13, Kolnai14, Groddeck15; auch die Neuauflagen der großen Vorlesungen16 und von Totem17 sind schon in unserem Besitz. Abra- hams Klinische Beiträge18 sind beinahe fertig und können zu Neujahr ausgegeben werden. Die beiden ersten Bände19 unserer englischen Bib- liothek (War Neuroses und Putnams Buch20) werden gleichfalls und Neujahr erscheinen und das erste italienische Buch (Rank, Heldenmy- thus)21 kommt zu Neujahr in Druck. – Von deutschen Werken bereiten wir für die nächste Zeit vor: einen von Dr. Bernfeld22 herausgegebenen Sammelband zur Jugendforschung (in den Quellenschriften)23 und eben- dort die Kindersammlung, für die reichlich Material einläuft. Ferner das Buch von Varendonck24, das der Prof. in seinem Kongreßvortrag25 er- wähnte. Jones Behandlung der Neurosen, das übersetzt wird für den Jah- resbericht als Beiheft26 und wahrscheinlich in derselben Reihe Stärckes erweiterter Kongreß-Vortrag27. – Von englischen Büchern: Flügel, Die Geschichte der Familie28 und Róheim Totemismus29. –

Delgado sandte einen kurzen Artikel für die »Festschrift«: Von allen an- gekündigten der einzige, der rechtzeitig eintraf: aus Peru!! Er ist aller- dings auf der langen Reise schwach geworden, aber dennoch ersuchen wir Dich, l. Abraham, die nur wenige Seiten umfassende, aber sehr poe- tisch geschriebene Arbeit zu übersetzen; wir werden sie in Imago veröf- fentlichen.30 

Die englische Korrespondenz betr. das Journal etz. wird jetzt zum größ- ten Teil Hiller mir abnehmen; nur in besonderen Fällen werde ich Dir, l. Jones selbst darüber schreiben.  Bezüglich der Übersetzung von Stracheys31 hier: Du hast das Manuskript auf der Maschine abgeschrieben, aber das Original hat Strachey glaube ich gefehlt, obwohl er so höflich war, dies nicht direkt zu sagen: bitte sende in solchen Fällen auch immer die Original-Handschrift, schon damit die Leute sehen, was du verbessert hast, und etwas davon lernen können. –

Beim Professor sind folgende interessante Bücher eingelaufen, die wir Dir, l. Jones, zum ref. im Journal empfehlen:

  1. Margaret Fuller: A psychological biography by Katharine Anthony, New York 1920, Harcourt & Howe. Nach dem Urteil des Professor die erste wirklich psa. Biographie. – Ferner ein Gegenstück dazu
  2. The Ordeal of Mark Twain by van Wyck Brocks. New York 1920,

    K.P. Datten & Co, 681, Fifth Avne. –

    Ferner ist die erste dänische Übersetzung eines Werkes vom Professor erschienen: Det Ubevidste (enthält die fünf kleinen amerikanischen Vor- lesungen32 und die kleine Abhandlung über den Traum33) Martins Forlag, Kopenhagen 1920, übersetzt von Otto Gelsted (autorisiert).34

    Von der Berliner Gruppe brauchen wir für das nächste Korrespondenz- blatt den Jahresbericht ab 11. März 1920, sowie ein komplettes Mitglie- derverzeichnis. –

    Eine Anfrage des Prof. an Jones: Jekels35 hat mitgeteilt, daß in einer eng-

lischen Zeitschrift(?) ein Artikel erschienen ist, der nach einer Tage- buch-Notiz Shakespeares das Datum der 1. Hamletaufführung vor dem Tod des Vaters ansetzen zu können glaubt.36 Ist Dir, l. Jones, etwas von dieser Arbeit bekannt geworden, und könntest Du Dich eventuell dafür interessieren? Es würde ja auch auf Deine Hamlet-Neuauflage von Ein- fluß sein!37

Schließlich spreche ich persönlich Dir, l. Jones, und durch Dich auch der Gruppe in London meinen Dank für Ehrenmitgliedschaft aus, obwohl ich wirklich gar nichts »Ehrenmitgliedhaftes« in mir fühle und das Gefühl einer Mumifizierung dabei nicht loswerden kann; aber das mag persön- lich komplexbetont sein!

Wir freuen uns, am Schluß des Jahres unsere beiden Freunde Abraham und Ferenczi wieder ganz wohl zu wissen und wünschen allen ein glück- liches frohes und arbeitsreiches Neues Jahr.

Herzlich

Rank