• S.

    Berlin, 2.11.21

    Liebe Freunde,

    Dieser Brief geht aus äußeren Gründen etwas verspätet ab. 
    Zum Wiener Brief vom 11.10., der verspätet an mich gelangte, ist nach-
    zutragen, daß das Programm der hies[igen] Kurse nach Aussage von Sachs schon 
    vor längerer Zeit abgesandt wurde. Es ist wohl auch dort eingetroffen? 
    Wegen des Berichts über die Poliklinik wird Eitingon diesem Brief eine 
    Bemerkung anfügen. Die übrigen Monita sind bereits erledigt.

    Der Budapester Brief vom 21. ist nicht eingetroffen, wohl 
    durch Störung des Postbetriebs in Ungarn.

    Zu Wien vom 21.: Sollte das Ref[erat] über Sadgers neues Buch nicht 
    dem Referenten über dieses Gebiet (Boehm) übertragen werden? Sonst ge-
    schieht doppelte Arbeit, da dieser es ja für den Jahresbericht doch 
    durcharbeiten muß, oder es besteht die Versuchung, das bereits in der 
    Zeitschrift erschienene Referat zu plagiieren.

    Zum Zweck eines oder zweier Vorträge nach Wien zu kommen, 
    wäre mir sehr sympathisch. Welche Zeit käme in Frage? Mir wäre es lieber 
    um Ostern als im Winter, aber ich könnte es auch so einrichten.

    London: Am meisten erfreute uns die Nachricht über Birming-
    ham. Es scheint in England ganz wie bei uns zu sein, daß sich auch 
    außerhalb der Hauptstadt allmählich psychoanalytisch interessierte Kreise zu-
    sammenfinden.

    Von uns: der Einführungskurs hat begonnen, und zwar unter 
    Teilnahme von ca. 30 Personen, fast nur jüngere Ärzte und Studenten.

    Ein Berliner Arzt, Dr. Lungwitz, hat vor Kurzem einen Inzest-
    Roman geschrieben und stand wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften in 
    Anklage. Das Buch ist nach meinem Urteil literarisch wertlos. Nach den 
    Berichten der Zeitungen hat Dr. L. sich vor Gericht als Psychoanalytiker 
    bezeichnet, wohl um sich an der PsA einen gewissen Rückhalt zu verschaf-
    fen. Sonderbarerweise wurde das Buch eingezogen, der Verfasser aber 
    wegen der Lauterkeit seiner Motive freigesprochen.

    Von dem Kassierer der Schweizer Vereinigung, Emil Lüthy in 
    Basel, Birsigstraße 76, erhielt ich M. 32.- in deutschen Noten als 
    Jahresbeitrag von 4 auswärtigen Mitgliedern, mit der Begründung, 
    der Beitrag sei voriges Jahr auf M. 8.- festgesetzt worden. Weiß je-
    mand, wer diese auswärtigen Mitglieder sind und warum sie nicht in 
    Franken zahlen? Soll ich das Geld an Flügel weitergeben? Nebenbei be-
    merkt repräsentieren die 32.- M. kaum einen Schweizer Franc und würden 
    der Zentralkasse auch kaum 1 sh. einbringen. Ich habe L. noch nicht 
    geantwortet, sondern möchte zuerst hören, ob die Sache irgend eine 
    Berechtigung hat oder nur eine Ausnutzung der Valuta zum Schaden der 
    Vereinigung darstellt.

    Für Herrn Prof.: Von dem Pat., der mir die Spinnen-Träume 
    geliefert hat, habe ich noch einen weiteren besonders interessanten er-
    halten. Ich schreibe in allernächster Zeit eine Kleinigkeit darüber, versen-
    de dann auch den Kreuzweg.

  • S.

    Gegenwärtig mit 2 Analysen Manisch-Depressiver beschäftigt, glaube 
    ich dem Verständnis dieser Krankheit wieder ein Stück näher gekommen zu 
    sein. Darüber später einmal.

    Mit freundlichen Grüßen

    Abraham                           Sachs

     

    [Handschriftlicher Zusatz von Eitingon:]

    In das jetzt im Druck befindliche Heft der Zeitschrift wird unser Poliklinik-Bericht nicht mehr hineinkommen können, zum nächstfolgenden hoffe ich ihn 
    bestimmt fertigzustellen.

    Herzl. grüßend

    Eitingon