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    W 7 / B (ohne No.), Bp 6, L. 7
    Wien, am 11. März 1921

    Liebe Freunde!
    ad Verlag: Da der Rikolaverlag versprochen hatte, bis 1. März
    Nachricht zu geben, dies aber nicht getan hat, scheint die Sache einzuschla-
    fen; andererseits besteht jetzt von uns aus wenig Neigung mehr dazu, da die 
    Hauptmotive für uns weggefallen sind: diese waren Platz- und Personalmangel, 
    welche jetzt beide in ausgiebiger Weise behoben sind. Wir haben ein sehr 
    schönes, geräumiges Lokal mit genügend Personal und allen technischen Hilfs-
    mitteln (Schreibmaschinen etc. etc.) und die ganze Sache kostet uns vorläufig 
    gar nichts. Storfer scheint sich sehr gut zu bewähren, außerdem engagieren 
    wir jetzt eine Verlagssekretärin, die auch Hiller entlasten soll, der all-
    mählich ebenso überbürdet wird, wie ich es war. Auch bei ihm müssen wir Wert 
    darauf legen, daß er von der mechanisch-administrativen Arbeit möglichst 
    befreit werde, um seine Fähigkeiten mehr in den literarisch-redaktionellen 
    Dienst zu stellen. Er scheint das Talent zu einem ungewöhnlich guten Über-
    setzer zu haben, und wir bemühen uns jetzt, ihn im Deutschen und in der 
    Analyse so weit zu fördern, daß er zumindest imstande sein wird, bald einen 
    Teil der literarisch-redaktionellen Tätigkeit gut zu leisten. Auf diese 
    Weise hoffen wir auch Dich, lieber Jones, allmählich zu entlasten, da wir 
    tief bedauern, daß auch Deine wertvolle Arbeitskraft mit diesen Dingen 
    verzettelt wird. Wir hoffen, daß Du diesen Plan auch willkommen heißen
    wirst. Im Zusammenhang mit der scheinbar negativen Erledigung der Koln-
    ai-Angelegenheit und der Hillerfrage, wird auch das weitere Verhältnis der 
    Press akut. Wir glauben jetzt auf den früheren – durch die Kolnai-Verhand-
    lungen in Schwebe gebliebenen – Plan zurückgreifen zu sollen, daß die Ver-
    lags G.m.b.H. jetzt die Press mit allen Aktiven und Passiven übernimmt (wo-
    zu Hiller das gesamte Buchungsmaterial jetzt vorbereitet), wodurch auch in 
    Zukunft der Verlag sowohl die Herstellungskosten aller englischen Publika-
    tionen sowie die Honorierung des dazu nötigen Personales übernimmt, anderer-
    seits auch alle Einnahmen. Dies ist um so mehr wünschenswert, als sich jetzt 
    tatsächlich die ganze „Press“ in Wien befindet. Jones bliebe jedoch weiter 
    „Director“ der Press, was ihm nicht nur seinen Einfluß auf dieselbe sichert, 
    sondern auch für unser ganzes Verhältnis vorläufig das einzig Mögliche bleibt.

  • S.

    Verlagstätigkeit: Von der Zeitschrift werden Heft 1 und 2 zu Ostern
    gleichzeitig versandt und auch „Imago“ Heft 2 mit. – Journal No 3 erscheint
    zur selben Zeit. Die beiden ersten Bände der englischen Library („War-
    Neuroses“ und Putnams Buch) befinden sich in der Buchbinderei, werden 
    also auch zur selben Zeit fertig werden. Jones’ Buch: „Die Behandlung der 
    Neurosen“ ist fertig übersetzt und schon zur Hälfte gesetzt, so daß es
    nächsten Monat erscheinen kann. Die italienische Übersetzung des „Mythus
    von der Geburt des Helden“ befindet sich gleichfalls beim Buchbinder.
    Eine Neuauflage des Tagebuches befindet sich im Druck. – Für eine späte-
    re Publikation übersetzen Stracheys die fünf Krankengeschichten des 
    Professors ins Englische.

    Von Manuskripten sind eingelaufen: Dr. Alexander (Berlin): „Metapsycho-
    logische Betrachtungen“; von Frau Sokolnicka, die sich nächsten Monat in 
    Paris als Analytikerin niederlassen will, eine Studie über die „Herren-
    hofsage“ der Lagerlöf; von Frau Klein (Berlin) über „Aufklärung der 
    Kinder“.

    ad Amerika: Frink aus Newyork, der jetzt beim Professor zur Ana-
    lyse ist, scheint ein fast normaler Mensch mit tüchtiger analytischer 
    Bildung und ein ernsthafter Arbeiter zu sein. Der Professor hatte noch 
    keine Gelegenheit, ihn über alles, namentlich über Brill, zu sprechen. 
    Frink erklärt, daß die meisten Leute in Amerika von der Analyse nichts 
    verstünden. Jelliffe sei sehr gescheit, aber ebenso gefährlich; Tridon, 
    dessen Buch er dem Prof. mitbrachte, sei ein gewissenloser Schwindler. 
    Der Professor fragte ihn auch über Oberndorf, der im Sommer in Analyse 
    kommen wollte, und erhielt die Auskunft, O. sei ein sehr intelligenter, 
    jedoch stark neurotischer Mensch, der der Analyse sehr bedürfte; er sei 
    materiell unabhängig. Auf Frinks Rat lehnte der Professor ab, O. im Som-
    mer zu analysieren und lud ihn ein, am 1. Oktober zu einer gründlichen 
    Analyse nach Wien zu kommen.

    Von dem großen Verlag Kegan, Paul & Cie erhielt der Professor 
    ein Buch „Autobiography of a Child“ zugesandt, mit der Bitte um ein 
    Urteil und der Anfrage, ob der Verlag das Buch in deutscher Übersetzung 
    bringen wolle. Der Prof. glaubt nicht, daß es sich dazu eignet, wir möchten
    aber auch die Ansichten von Dir, l. Ernest, hören.

    Ein Dr. Rhaban Liertz, der ein Sanatorium „Hildegard“ in Homburg auf
    der Höhe leitet und dort Analyse ausübt, hat, wie aus beiliegendem Aussch-
    nitt hervorgeht, neben dem kathartischen ein katholisches Verfahren ent-
    deckt. Nach einem Brief von ihm an den Prof., wurde ihm übrigens von Prof. 
    Wilmanns, Heidelberg, ein Patient zur Psychoanalyse zugeschickt.

    Zum Verlagsbericht ist noch nachzutragen, daß wir Kolnais Buch
    um 10 Pfund an Allen & Unwin verkauft haben. –

    Bezüglich des Buches von Winterstein hoffe ich, daß sich ein Mo-
    dus für die Übersetzung ins Englische wird finden lassen. Ich berichtete 
    darüber s. Z. an Jones direkt. –

  • S.

    ad Wien 7 vom 11. März 1921

    Was den Protest der Schweizer gegen Groddeck betrifft, so traf in-
    zwischen eine Karte von Pfister ein, der uns nahelegte, die Sache nicht
    so tragisch zu nehmen (Jones scheint uns in seinem Briefe nicht genügend 
    zwischen der Executive und dem Komitee unterschieden zu haben). Wir teilen
    übrigens den Standpunkt von Jones, der aber nur dann in Frage käme, wenn
    die Anfrage der Schweizer nicht rein privaten Charakter gehabt hätte,
    ebenso wie unsere Antwort. Im Falle eines offiziellen Protestes würde
    die Sache ohnehin vor die Zentrale kommen.

    ad London: In der Frage der Publikation des Jenseits möchten wir 
    Dir, l. Jones, den Vorschlag unterbreiten, die Arbeit ganz allein in No 1 
    des II. Vol. des Journal zu publizieren. Diese Nummer 1 aber dann zugleich
    mit einer normalen Nummer 2 auszugeben; dadurch wird es uns einerseits 
    möglich sein, den Zeitrückstand der Nummern einzuholen, andererseits können 
    wir dann vom Jenseits mehr drucken und auch einzeln verkaufen. Wir hoffen, 
    daß diese Lösung Dich ebenso befriedigen wird wie uns und erbitten sehr 
    bald Deine Zustimmung dazu.

    Deinen Brief an Abraham über sekundären Narzißmus geben wir 
    nach Budapest weiter, mit der Bitte, ihn weiterzuleiten. Ebenso legen wir
    nach London einen Ausschnitt von Ferenczi bei. –

    ad Berlin: Professor und Rank werden zu Ostern in Wien sein 
    und werden sich freuen, Dich, l. Sachs, wiederzusehen. –

    Was ist mit dem Brief von Stockmayer, von dem die Rede ist; wir 
    haben früher nichts davon gehört?

    Bezüglich der beiden Frankfurter werden wir uns jetzt selbst 
    direkt an die Beiden wenden und ersuchen, von Berlin aus nichts mehr 
    zu unternehmen, bis wir es für nötig erachten.

    Mit herzlichen Grüßen
    Rank

    P.S. Nach Abfassung der Briefe kommen mir noch zwei Neuigkeiten zu Ohren, 
    die von allgemeinem Interesse sind: Von Jung ist ein neues großes 
    Buch erschienen: Psychologische Typen (700 Seiten, bei Rascher in Zürich, 
    Preis Mk. 125,– resp. 25 Franken). In der langen Verlagsanzeige kommt das 
    Wort Psychoanalyse nicht vor, woraus ich schließe, daß Jung sich das 
    verbeten hat, da sonst der Verlag auf eine solche Reklame nicht verzichtet 
    hätte. Das Buch, das ich selbst noch nicht gelesen habe, scheint nach der 
    Anzeige nichts Neues zu enthalten, sondern nur eine Anwendung der 
    bekannten Jungschen Typenlehre (Introversions- und Extraversionstypus) 
    auf die Philosophie, Mystik, Religionsgeschichte etc. –

    Ferner geht Dr. Stekel nach einer Zeitungsnotiz auf zwei Monate nach
    Amerika, um dort Vorträge über Psychoanalyse zu halten.
    Von Dr. Feigenbaum, der in Jerusalem die Anstalt „Ezrath Nashim“
    leitet, erhielt ich (Rank) einen Brief, worin er die Zustände dort als
    sehr unerquicklich schildert.