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Berlin 15.12.20 Nr. 11, Antwort auf Bp. 82, W. 93, L. 104


 

Seit Absendung des letzten Berichtes ist es mir (A) recht schlecht gegan- gen. Ich bekam einen fieberhaften Rückfall der im Sommer durchge- machten Dysenterie5, bin aber gerade wieder rechtzeitig aufgestanden, um den heutigen Bericht in gewohnter Weise verfassen zu können. Diese Erkrankung ist auch der Grund, warum ich Dir, l. Rank, nicht geschrie- ben habe. Mir ist inzwischen der Gedanke gekommen, Hárnik, der seit Kurzem hier ist, um Hilfe bei den Referaten zu bitten, um Deinen Wün- schen soweit wie möglich entgegenzukommen. Wenn ich übrigens mit allen verlangten Ergänzungen einverstanden wäre, so wäre es, nach die- ser sehr angreifenden Erkrankung, noch mehr als vorher eine physische Unmöglichkeit, jene Arbeit zu leisten, selbst wenn der Termin verlängert wird. Ich berichte Dir in Kurzem Weiteres, wenn mein Befinden, das sehr schwankt, es zuläßt.

Ich muß noch weiter so egozentrisch bleiben und auf unsern Vorschlag der 10tägigen Korrespondenz zurückkommen. Abgelehnt ist er eigentlich nur von Wien. Die Begründung geht aber auf unser wichtigstes Argu- ment nicht ein; wir sind hier drei und haben in der knappen Zeit nicht die Möglichkeit, eingehende und ausgehende Briefe genügend zu bespre- chen! Ich habe die größte Schwierigkeit, die Berichte fertig zu stellen, und kann sie den anderen manchmal erst nachträglich in Kopie vorlegen. Ich darf sagen, daß auf diese Weise eine an sich so willkommene Einrichtung zur Last wird. Haben wir den 10täg. Spielraum, so werden wir jedes Mal nach Eintreffen der 3 Berichte zusammenkommen und uns be- sprechen, was jetzt unmöglich ist. Ich weise auch darauf hin, daß Briefe von Wien jetzt oft 6 Tage gehen.

Der Vorschlag des gleichen Wochentages für alle würde uns nicht von der jetzigen Unannehmlichkeit der sich kreuzenden Briefe befreien. End- lich sehe ich einen Vorzug darin, wenn man nicht immer denselben Abend in jeder Woche für denselben Zweck besetzt hat. Eitingon & Sachs sind sehr unzufrieden mit den bisherigen Modus, es ist also kei- neswegs ein privater Wunsch, den ich vertrete.

Wir freuen uns über die glänzenden literarischen Fortschritte, besonders über die vielen Neuauflagen und Übersetzungen6. – Dem Eingang der Büchersendung sehen wir entgegen. Die Nachfrage ist bereits lebhaft. Bei dieser Gelegenheit die Frage: gibt es zu allen bisherigen Bänden bei- der Zeitschriften noch Original-Einbanddecken zu kaufen?

Die Frage der Übersiedelung Reik‘s nach Berlin behalten wir im Auge. Wir möchten zuerst etliche Ärzte-Analysen für ihn sammeln, bevor wir ihn zu einem solchen Entschluß veranlassen.

Die Frage, wann die nächste Komité-Zusammenkunft stattfinden soll, hängt mit der Frage des Kongresses eng zusammen. Wir wissen, daß Sie, lieber Herr Prof. von Anfang an der Wiederholung des Kongr. im nächs- ten Jahr nicht zuneigten. Ihre persönlichen Gegengründe sind gut zu ver- stehen. Unsres Erachtens brauchte aber der Kongreß Ihre Ferien durch- aus nicht zu zerreißen, so wie letztes Mal. Sie pflegen in der ersten Ok- toberwoche Ihre Tätigkeit wieder zu beginnen. Wenn der Kongr. nun in den letzten Tagen des Sept. stattfände, so würde dieser Einwand wegfal- len.

Für die Abhaltung des Kongr. in diesem Jahre (1921) sprechen zwei sachliche Gründe: 1. die allgemeine Stimmung war schon im Haag dafür. In Deutschland gewinnt unsre Sache jetzt rasch Anhänger, welchen durch Teilnahme an einem so eindrucksvollen Kongr. wie dem vorigen die beste weitere Anregung geben würde. 2. Innerhalb zweier Jahre sammelt sich, wie wir im Haag gesehen haben, zu viel Material an, das dann kaum zu bewältigen ist.

Gemäß Jones’ Vorschlag sollten wir uns bald in dieser Frage einigen. Wir drei sind prinzipiell für 1921, wenn nicht triftige Gegengründe ange- führt werden. Im Fall eines derartigen Beschlusses müßten wir Berliner auch im Januar die Vorbereitungen beginnen.

Den von uns bereits zart angedeuteten Vorschlag einer Zusammenkunft in Wien im Anfang Mai möchten wir natürlich nur dann aufrecht erhal- ten, wenn auch Jones kommen kann. Zur Vorbesprechung des Kongr. wäre dieser Zeitpunkt übrigens auch sehr gut. Ev. bitten wir um Gegen- vorschläge.

Zur wissenschaftlichen Tagesordnung möchten wir dem Thema Telepa- thie wiederholt zustimmen. Wir hoffen, Herr Prof. wird uns darüber be- richten. Wir anderen sollten, sobald der Tag der Zusammenkunft fest- steht, auch unsre Themata angeben.

Eitingon verreist demnächst (kurz vor Weihnachten) nach Amerika. Die Com.-Briefe bitten wir bis auf Weiteres an Sachs, Berlin W 15, Meine- kestraße 22, bei Geheimrat Jacobson7, zu richten.

Nächste Woche berät unser Verein über Eitingon‘s Vertretung in der Po- likl. während seiner Reise.

Für Jones: Ich möchte noch einen abschließenden Bericht über Frau Dr. Herford geben. Ich glaube, daß die Ps-A so viel geleistet hat, wie in die- sem Alter möglich war. An dem ps-a Interesse der Frau H. ist nicht zu zweifeln, ebenso muß man zugeben, daß ihre therapeutischen Absichten durch ein starkes Maß von sozialer Hilfsbereitschaft unterstützt werden. Wie alle, die erst im vorgeschrittenen Jahren die Ps-A. kennen lernen, wird auch sie gewisse Grenzen nicht überschreiten können. Ich glaube aber, daß ihre versuchsweise Zulassung als Gast unbedenklich ist. Ich sprach heute nochmals mit ihr über das Verhältnis der dortigen Gruppe zur »Klinik« und fragte sie u.a., welche Befugnisse die Klinik den entlassenen Schülern gebe. Sie erklärte mir, niemand erhalte irgend eine Legitimation zu freiem analytischem Praktizieren, sondern jeder müsse sich bei der Entlassung schriftlich verpflichten, eine Ps-A nur im Auftrag eines Arztes zu übernehmen. Frau Dr. H. glaubt übrigens, daß ein paar Schüler (oder Schülerinnen) das Klinik, die man als unbrauchbar besei- tigt habe, ungünstige Angaben verbreiten und solche auch der Londoner Gruppe mitgeteilt hätten.

Ich referiere das ganze objektiv, um der Sache zu nützen. Die Brüder Glover und Miss Sharpe sollen demnächst kommen.

Mit besten Grüßen, zugleich im Namen von Eitingon & Sachs

Abraham