S.

Wien, am 9. Dezember 1923

Liebe Freunde!

Der Rundbrief geht diesmal leider stark verspätet und außerdem  
noch unvollständig ab. Ich lag fast eine Woche an Grippe krank und habe den  
Professor mehr als zwei Wochen nicht gesehen, auch nicht „geschäftlich“ mit  
ihm korrespondiert. Die eingelangten Rundbriefe aus Budapest und London habe  
ich ihm zugeschickt (der Berliner kam auch erst heute verspätet), so daß ich  
nicht einmal in der Lage bin, auf etwa dort gestellte Anfragen zu antworten,  
sondern das für den [nächsten] Brief aufbewahren muß.  

Ich schreibe heute nur, um Nachricht vom Befinden des Professors zu  
geben, dessen Rekonvaleszenz jetzt wieder langsamer, unterbrochen von kleine-
ren Störungen und Zwischenfällen, jedoch glücklicherweise nicht ernster Natur  
vorwärts geht.  

Trotzdem zu gleicher Zeit mit mir auch Storfer krank war, hoffen wir,  
daß der Verlag seine diesjährige Weihnachtsbescherung rechtzeitig heraus-  
bringen wird. Dieser Tage ist bereits Heft 3 von Imago erschienen, auf deren  
Rückumschlag der größte Teil der Weihnachtserscheinungen angekündigt ist, 
deren Aufzählung ich mir daher ersparen kann. Außer den dort angekündigten 
Büchern und Broschüren erscheint im Dezember noch Zeitschrift  Heft 4 (Schls-
sheft) und Ende Dezember, vielleicht erst anfangs Jänner Imago Heft 4. – Auch das 1. 
Heft der neuen Zeitschrift ist bereits in Arbeit. –  

Von der Gesamtausgabe ist ein Band (IV) ganz fertig, ein weiterer Band  
(VIII) fast fertig, ein dritter Band (VII) zur Hälfte fertig und einen vierten  
Band (V) werden wir noch bis zu Ostern fertigbringen, zu welchem Termin erst 
die Ausgabe beginnen soll.  

Noch ein Wort zu Frankreich und Dr. Laforgue. Auch ich möchte im Sinne  
von Ferenczi – jedoch nicht nur aus den von ihm angeführten Motiven, sondern  
teils aus meiner allgemeinen Erfahrung, teils aus meinem speziellen Eindruck  
von Dr. Laforgue vor all zu großer Begeisterung gegenüber Menschen seines  
Typs (Streber) war­- nen. Wenn wir ihn für die Bewegung ausnützen können, ist es  
gut; wir sollen aber weder uns (oder unsere Vertreter: Sokolnicka) noch die Psy-  
choanalyse von ihm oder Leuten seines Schlages ausnützen lassen. Dazu müssen wir aber sehr 
vorsichtig sein. Außerdem bin ich überhaupt dafür, sich viel weniger darum zu 
kümmern, was die Leute denken, auch wenn es Franzosen oder andere „Exoten“ sind. 
Die Psychoanalyse hat es nie nötig gehabt und hat es jetzt am allerwenigsten, sich von 
irgend jemand, der gar nichts davon versteht (und wenn er auch Bergson heißt) 
eine Anerkennung „gefallen“ zu lassen oder gar noch stolz darauf zu sein. 
Ich bitte dies aber nur als meine rein persönliche Meinung zu betrachten und 
wenn jemand damit nicht einverstanden sein sollte, ihre Äußerung auf Kosten 
meiner schlechten Laune zu setzen, da ich mich noch immer nicht ganz wohl 
fühle.  

Mit herzlichen Weihnachts- und Neujahrswünschen  
[Rank]