S.
[Rundbrief]
Wien, 14. III. 1926.
Liebe Freunde,
Der Wiener Anteil des Komitees befindet sich seit dem 5. d. M.
behaglich untergebracht und luxuriös verpflegt im Wiener Cottage-
Sanatorium und zwar bringe ich den ganzen Tag hier zu, während meine
Tochter zur Besorgung ihrer Praxis über mehrere Stunden in die
Berggasse fährt. Ich bin hier insoferne tätig, als ich noch drei meiner
schwereren Fälle regelmäßig herauskommen lasse, die anderen sind beur-
laubt. Nach dem Zeugnis der Ärzte geht es mir ausgezeichnet und immer
besser, so daß mir mitgeteilt wurde, daß ich noch etwa 14 Tage hier
zu verweilen habe. Man rät mir, den Aufenthalt etwa so aufzufassen wie
eine Reise an die Riviera, die in meinen Jahren gerade jetzt angezeigt
wäre, aber doch unterbleiben muß, weil ich technisch an Wien gebunden bin.
Unter diesen Umständen habe ich wenig von allgemeinem Interesse zu
berichten. Den regsten Briefverkehr unterhalte ich noch mit Paris, wohin
meine zuletzt gewonnene Anhängerin, die Prinzessin, jetzt zurückgekehrt
ist. Sie hat mir ausführlich über die Vorgänge in der von Laforgue ge-
gründeten französischen Gruppe berichtet und wird hoffentlich
viel dazu beitragen, die Leute dort auf dem richtigen Weg zu erhalten.
Es wird dort der Plan erwogen, die Kleinen Schriften vollständig zu
übersetzen, wie es von der Press geschehen ist.
Mit herzlichen Grüßen allerseits
Freud
Anna Freud