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Wien, 1. Dezember 1921
Liebe Freunde!
Von unseren holländischen Kollegen kam die Nachricht, daß Herr
Professor zum Ehrenmitglied der Niederländischen Vereinigung voor Psychiatrie-
en Neurologie ernannt wurde, u[nd] zw[ar] anläßlich des 50-jährigen Jubiläums dieser
Gesellschaft, welche 10 ausländische Neurologen in dieser Weise geehrt hat.Letzten Mittwoch hatten wir eine interessante Sitzung, in der der
Wiener Staatsrechtler Prof. Kelsen über die Bedeutung der „Massenpsycho-
logie“ für seine Wissenschaft sprach und sich dabei vollkommen auf den Bo-
den der Analyse stellte. Der Vortrag, der ein Kapitel aus einem im Druck
befindlichen Werke von Kelsen bildet, soll auch im Imago veröffentlicht
werden. – Von jetzt ab werden übrigens die im „Korrespondenzblatt“ ver-
öffentlichten Vereinsberichte jedes Mal eine kurze Inhaltsangabe vom Vor-
trag und Diskussion bringen; die Budapester Gruppe hat sich diesem Beispiel
bereits angeschlossen und wir bitten auch Berlin dies von nun an so zu hal-
ten. Die übrigen Ortsgruppen tun dies ohnehin schon von früher her.In den nächsten Zeitschriftheften Nr. 4, die noch im Dezember er-
scheinen sollen, werden folgende Arbeiten enthalten sein: Zeitschrift:
Hattingberg, Objektwahl und Übertragung (Kongreßvortrag), sowie außer
einer Anzahl Mitteilungen und Referaten noch die halbjährig erscheinende
Bibliographie, welche alle Gruppen zum Anlaß nehmen sollen, um dem Referaten-
wesen, der bzw. den Referenten einen neuen Impuls zu geben. Bürstenabzüge
der Bibliographie werden durch Reik versendet werden. Imago 4 enthält:
Lou Andreas-Salomé, Narzißmus als Doppelrichtung; Van der Wolk, Das
„Tritheon“ der alten Inder; Flügel, Heinrich VIII; Róheim, Das Selbst
(Schluß).– Im Eingang von Manuskripten ist eine gewisse Stille eingetre-
ten, dagegen hörten [wir] viel von Übersetzungen. Die großen Vorlesungen sind
französisch bei Payot erschienen, der gleichzeitig mehrere Übersetzungen
Freudscher Werke ankündigt, ob- wohl er dazu kein Recht hatte. Ferner hat
sich ein 2-ter spanischer Verle- ger hier eingefunden, der aber zu spät kam. In der
Frage des spanischen Übersetzers (Anfrage Jones) kann der Professor wohl
nicht mehr tun, als dem Verleger den betreffenden Mann empfehlen, was er be-
reits schon früher getan hat.Die amerikanischen Kurse nehmen einen guten Fortgang. Ich
(Rank) werde erst am Montag, den 5-ten Dezember Gelegenheit haben, über die
Gastvorträge zu sprechen und es ist auf Grund der zustimmenden Äußerungen
von Euch, lieber Ferenczi und Abraham zu erwarten, daß die Amerikaner Euch
einladen werden. Sollte dies der Fall sein, so würde ich am Dienstag event-
uell telegraphieren, möchte aber jedenfalls dringend bitten, im Rundbrief vom 11-ten
mitzuteilen, wann Ihr eventuell reisen könntet, da Ihr vermutlich an -
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Weihnachten am ehesten reisen könnt.
Ferner ist noch zu erwähnen, daß auch bei uns, ähnlich
wie in Berlin, sich unter den Wiener Kollegen das Bedürfnis gezeigt hat,
wöchentlich zur Besprechung technischer Fragen zusammenzukommen.– Von
Verlagstätigkeit noch nachzutragen, daß Sammlg. kl. Schriften IV. Folge in
Neuauflage, V. Folge neu erscheint. Ebenso 8-te Auflage vom Alltagsleben.
Endlich werden wir im nächsten Jahr die Imago-Bücher beginnen und wollen
in dieser Serie u.a. auch die gesammelten literarischen Arbeiten von
Sachs veröffentlichen. Hierüber privat an Dich, lieber Hanns. Schließlich
noch die Nachricht, daß Journal Nr. 2 versandt und Nr 3/4 als Doppel-
Heft Ende des Jahres erscheinen soll.Ad Brln. Bezüglich Dr. Paneth erinnert der Professor, daß er schon s.Z.
darauf aufmerksam machte, wie wenig man bei solchen Leuten vom
Entgegenkommen habe. Es würde ihn interessieren wie es jetzt mit Paneth steht?
Ob er sich tatsächlich an Eitingons Kurs beteiligt und ob und resp. bei
wem er in Behandlung ist.– Die Mark 32, aus Zürich gehören eigentlich an die
Zentralkasse nach London, doch dürfte wohl eine bloße Verständigung mit Flü-
gel genügen, das Geld selbst würde wohl am besten bis zum Kongreß in Berlin
bleiben.– Ad Jung: im letzten Heft des Journal of Psychology ist
ein Artikel von J[ung], der seine Abwendung von der Analyse deutlich zeigt, aber
auch wie absolut er – ähnlich wie Adler – an dem Punkt seiner Abweichung
fixiert geblieben ist.Ad Bpst.: soll der Titel Deines Buches, lieber Ferenczi „Populäre Vor-
träge über Psychoanalyse“ [heißen], oder ist Dir ein anderer eingefallen?
Was ist mit der Paralyse-Arbeit von Hollós? Wir möchten sehr gerne den neuen
Jahrgang der Zeitschrift damit eröffnen (Manus[kript] im Laufe des Januar).
Der Artikel in der Nation ist gewiß nicht von Frink, es scheint sich darin
um einen bestimmten Fall zu handeln.Ad London: Wir freuen uns über die schönen Erfolge der Gruppe, von denen Du
l. Ernest berichtetest und beglückwünschen Dich bestens dazu.
Von Sadgers Buch haben wir Dir bereits ein Exemplar geschickt.
Du sollst es Dir selbst in Ruhe ansehen und dann entscheiden, ob wir es
übersetzen sollen und wer es machen soll (ich Rank glaube, daß man bei der
Übersetzung nicht nur wegen des großen Umfangs Kürzungen vor- nehmen soll,
sondern im Interesse einer Verbesserung auch machen müßte.– Bei dieser Gele-
genheit möchte ich Dich l. Ernest darauf aufmerksam machen, daß Miss Saxby,
die eine geborene Hamburgerin ist und natürlich perfekt englisch kann, sich
für Übersetzungen sehr gut eignen würde, da sie auch sehr intelligent ist;
nur muß sie mit Vorsicht be- handelt werden.Zum Schluß noch eine rein persönliche Bitte von mir (Rank): Ich be-
sitze die Bilder von Ferenczi, Sachs und Jones und wünsche mir schon lange
die von Dir l. Abraham und l. Eitingon dazu. ich möchte jetzt diesem Wunsche
ganz direkt Ausdruck geben und hoffe, daß es nicht zu den unerfüllbaren
gehören wird.Mit herzlichen Grüßen
[Rank Freud]