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    Wien, am 1. November 1921

    Liebe Freunde!

    Zunächst geben wir unserem Bedauern Ausdruck, daß der Brief von 
    Ferenczi durch die Ungunst der Verhältnisse nicht angekommen ist und hof-
    fen, daß wir bald in den Besitz guter Nachrichten gelangen. 

    Der Verlag kämpft leider noch immer mit Lokalschwierigkeiten, 
    die auch unsere Aktivitäten etwas einschränken und unsere Termine verzögern. 
    Wir bitten dies insbesondere den ungeduldigen Mitgliedern gelegentlich 
    der nächsten Sitzung mitzuteilen, da die beiden Zeitschriftenhefte 
    wirklich lange auf sich warten lassen. Imago ist aber schon fertig 
    und soll in den nächsten Wochen zugleich mit der Zeitschrift versandt werden. 
    Kolnais Buch ist in englischer Übersetzung (nicht in unserem Verlag) er-
    schienen.

    Das Vereinsleben läßt sich weiter sehr schön an. Das letzte Mal 
    sprach Bernfeld über Sublimierung in einem ausgezeichneten Vortrag (wird 
    erscheinen), wobei wieder zahlreiche Gäste anwesend waren, besonders Aus-
    länder (im Ganzen etwa so 50 Zuhörer).

    Auch der Ausländerkurs hat (mit Hitschmann: Allgemeine Neurosenleh-
    re) einen guten Anfang genommen.

    Pfister schrieb an den Professor von einer Reise nach Deutschland, 
    daß er Alois Fischer in München und Stählin in Nürnberg (Herausgeber des 
    Archivs f. Rel[igions] Wiss. bekehrt habe.

    ad Berlin: Wir legen keinen Wert darauf, das Programm der 
    Psychiatrischen Vers[ammlung] in der Zeitschrift zu glossieren. Für solche Zeichen brauchen 
    wir nicht empfänglich zu sein. Eros und Psyche gegenüber halten wir den 
    Grundsatz: Gar nicht ignorieren, für das Zweckmäßigste.

    ad London: Wir danken Dir, l. Ernest, für die interessanten Mittei-
    lungen und freuen uns, so viel Einblick in das Londoner Vereinsleben zu be-
    kommen. Zum Birminghamer Vorschlag gratulieren wir herzlich und würden 
    uns natürlich sehr freuen, wenn Du, l. Ernest, diese Erbschaft McDougalls an-
    nehmen könntest.

    Die Angelegenheit der bis jetzt von Jelliffe übersetzen Ar-
    tikel aus den kleinen Schriften des Professors ist zu unserer vollen Zu-
    friedenheit aufgeklärt. Wir haben das Verfügungsrecht darüber und brauchen 
    Jelliffe nichts zu bezahlen, da er selbst auch nichts dafür bezahlt hatte. 
    (Separater Brief hierüber von der Press an Jones).

    Was endlich den Fall Frinkbetrifft, so war der Professor darüber 
    genau unterrichtet, da F. bis zum Sommer sein Patient war und auch seither 
    in sehr ausführlichen Briefen weiter über den Verlauf der Sache berichtet 
    hat. Aus seine letzten Nachrichten, die übrigens beruhigend lauteten, geht

  • S.

    jedenfalls hervor, daß der offizielle Skandal und alles daraus Folgende 
    durch gegenseitige Übereinkunft beider Parteien vermieden wird. Mr. B.
    hat ein Protokoll unterschrieben, daß er alle öffentlichen Schritte 
    vermeiden wird. Diese Nachricht war die letzte und sie kam auch erst 
    nach dem Brief von Ames an den Professor. Dieser Brief ließ den Vorwurf 
    durchblicken, daß der Professor zu der ganzen Sache geraten habe und legt 
    es nahe, Frink zum Rücktritt vom engl. Journal zu veranlassen. Der Professor 
    ist entschieden dagegen, darauf einzugehen und meint, daß wir Frink je-
    denfalls stützen sollten, auch wenn er aus der New Yorker Gesellschaft 
    hinausgeekelt werden sollte. Aber es dürfte wohl jetzt nicht mehr dazu
     kommen, da wie gesagt der öffentliche Skandal vermieden wird. Die Frau B. 
    lebt jetzt getrennt von ihrem Manne und Frink ist ent- schlossen, sie zu 
    heiraten, nachdem er von seiner Frau getrennt sein wird. Doch stehen der 
    neuen Ehe vorläufig noch große Schwierigkeiten entge- gen, deretwegen 
    Frink auch mit seiner eigenen Scheidung zögert.

    Das angefragte Buch von Hartman ist uns, wie dieser selbst, gänz-
    lich unbekannt.

    Aus einer anderen Zeitungsnotiz haben wir ersehen, daß Jung selbst 
    nicht in Chicago ist, sondern daß einer seiner Schüler mit Miss C[ormick] hin-
    gefahren ist.

    Deine Nachrichten, l. Ernest, bezüglich der Übersetzung und der Herausgabe 
    der kleinen Schriften nehmen wir zustimmend und mit Dank zur Kenntnis.

    Herzliche Grüße

    [Rank Freuds]