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    Wien, 17.11.1921

    Liebe Freunde!

    Dieser Brief geht zu unserem Bedauern verspätet ab, 
    statt am 11., erst heute und soll zum Ausgleich dieses Versäumnisses 
    daher auch den Brief vom 21. ersetzen, an dessen Stelle er heute 
    etwas verfrüht abgeht. Er beantwortet daher die Rundbriefe vom 1-ten 
    und 11-ten November. Wir bitten dies Versäumnis zu entschuldigen, aber 
    infolge von Überbeschäftigung war es uns unmöglich, rechtzeitig zu-
    sammenzukommen.

    Vom Verlag, der noch immer kein Lokal hat, ist zu be-
    richten, daß jetzt endlich die Hefte 3 der beiden Zeitschriften ver-
    sendet wurden. Heft 4 soll noch in diesem Jahr zur Ausgabe gelan-
    gen. Ferner ist die Taschen- ausgabe der Vorlesungen erschienen und 
    wird den Komitee-Mitgliedern als Weihnachtsgabe gesandt, sobald die 
    ersten Exemplare fertig sind. Abraham, Ferenczi und Jones bitten wir, 
    das Buch in einer der Sitzungen zu zeigen, damit die Interessenten 
    sich die Ausgabe ansehen können. Der Verlag wird übrigens gleichzei-
    tig jeder Gruppe einen Leinenband spen- den, der bei dieser Gelegenheit 
    auch in der Sitzung vorgelegt werden kann (die Komitee-Mitglieder 
    erhalten Lederbände). Weiters wird in diesem Jahr nichts mehr er-
    scheinen, die 3 in Arbeit befindlichen Bücher, Ferenczi: Populäre Vor-
    träge, Bernfeld: Jugendkunde und Varendonck: Phantasieren werden erst 
    Anfang nächsten Jahres erscheinen. (Von letzterem Buch hat der Pro-
    fessor soeben die englische Ausgabe erhalten). Endlich werden wir 
    im neuen Jahr auch mit verschiedenen Neuauflagen beginnen müssen, 
    darunter auch des Groddeckschen Romans, über den kürzlich Alfred 

  • S.

    Polgar ein geistreiches Feuilleton im Prager Tagblatt veröffentlicht 
    hat, das auch in Berliner Blättern erscheinen dürfte.

    Die französische Ausgabe der Vorlesungen bei Payot, Paris 
    soll erschienen sein, von der italienischen Übersetzung kündigt 
    Prof. Bianchini den 1-ten Band (Fehlleistungen und Traum) für 
    December an. Die russische Übersetzung mit dem Slowo Verlag ist nicht 
    zustande gekommen, wor- auf wir besonders Eitingon für eventuelle wei-
    tere Unterhandlungen aufmerksam machen möchten. Dagegen hat sich ein 
    chilenischer Arzt, der jetzt bei Oberholzer Psychoanalyse studiert, angeboten, 
    die Vorlesungen ins Spanische [zu] übersetzen, doch sind die spanischen 
    Rechte sämtlicher Werke bereits vergeben.

    Beim Professor hat sich ein Dr. phil. Bohl, [von] der Universi-
    tät Paris gemeldet, der sich der Psa. zuwenden will. Ferner ist 
    Walter Liepman aus New York hier, der im Auftrag einer Zeitung Europa 
    bereist und sein Interesse für die Psychoanalyse schon vor einigen 
    Jahren gezeigt hatte. Er empfiehlt seinen Freund, den New Yorker Ver-
    leger Harcourt als äußerst anständigen Menschen. Vielleicht könnte 
    dieser den Verkauf unserer Bücher in Amerika übernehmen? – Frau 
    Lou Andreas-Salomé, die jetzt für einige Zeit bei Professor zu 
    Besuch ist, und dann wieder nach Göttingen zurückgeht, befindet sich 
    durch den Krieg (ihre Familie ist russisch) in mißlicher materiel-
    ler Lage und wir sollten uns verpflichtet fühlen, ihr womöglich Pa-
    tienten oder der psa. Erziehung bedürftige Menschen zu schicken. 
    Besonders die ausländischen Freunde möchten wir bitten, ihr Augenmerk 
    darauf zu richten.

    Von Brill erhielt der Professor einen zärtlichen 
    Brief, der alle Versprechungen wiederholt. Charakteristisch für 
    ihn ist, daß er die 500 Dollars, wegen welcher der Konflikt s.Z. 
    entstanden war, jetzt doch geschickt hat, o.zw.– wie er schreibt – 

  • S.

    als Honorar, das er eben für ein Buch des Professors erhalten 
    hat (welches Buch?). Der Professor hat das Geld jetzt angenommen, um 
    keinen neuen Konflikt zu provozieren und weil er schließlich glaubt, 
    ein Anrecht auf ein Honorar aus seinen amerikanischen Übersetzungen 
    zu haben.– Frink schreibt sehr hoffnungsvoll und entschlossen, allen 
    Schwierigkeiten zu trotzen.

    Von Albert Mordell, dem Autor von Erotic Motiv in Literatu-
    re ist ein neues Buch gekommen: The Literature of Ecstasy 
    (Boni & Liveright, New York). 

    Unsere Vereinssitzungen, die letztensmal kleine Mitteilungen 
    brachten, haben noch immer den gleichen Fremdenzulauf aufzuweisen. 
    In diesem Monat sollen wir noch einen interessanten Vortrag von Prof. 
    Kelsen, dem Staatsrechtlehrer der Universität hören, der die Beziehung 
    der Psa. zur Theorie des Staates behandeln soll.– Was 
    die Kurse betrifft, die wir für die Ausländer halten, so sind 
    sie nach anfänglichen Widerständen der Amerikaner jetzt im vollen 
    Gange, was zum Teil dem entschiedenen, aber auch feinen Benehmen der 
    Engländer (Rickman und Strachey) zu verdanken ist. Vom weiteren Fort-
    gang der Kurse und der Stimmung der Teilnehmer einerseits sowie von 
    der zur Verfügung stehenden Zeit andererseits wird es wohl abhängen, 
    ob sie sich dann noch zu den Gasteinladungen bereit fühlen. Es wäre 
    möglich, daß einige noch vor Beendigung des Kurses zurückreisen. 
    Natürlich würde uns der Besuch unserer Freunde sehr willkommen sein. 
    Wir werden über die Aussichten noch berichten.

    Endlich noch die Nachricht, daß die hiesige Poliklinik-
    Idee vorläufig am Mangel an Räumlichkeiten nicht zustande gekommen 
    ist. Von wissenschaftlichen Nachrichten nur die Mahnung, an die ge-
    plante Symbolsammlung schöner Beispiele nicht zu vergessen. Der Prof. 
    hat bereits einiges Material, allerdings nur Bestätigungen von bisher 
    Bekanntem.

  • S.

    ad Bln. Da das nächste Heft der Zeitschr. sehr rasch erscheinen muß, ist es 
    fraglich, ob Eitingon den PoliklinikBericht noch rechtzeitig dafür fertig 
    bringen kann; andererseits möchten wir auch nicht einen kurzen Bericht 
    bringen, sondern wie besprochen, einen ausführlichen, der sich als Separatum 
    zu Propagandazwecken eignet. Wir schlagen daher im beiderseitigen Interesse 
    vor, einen ausführlichen Bericht im ersten Heft des nächsten Jahrganges 
    erscheinen zu lassen, so daß Zeit genügend vorhanden ist.

    Was die Besprechung von Sadgers Buch betrifft, so 
    ist es richtig, daß uns Böhms Beurteilung genügen würde; auch wider-
    spricht es durchaus nicht dem Usus, nicht alles vom Jahresberichtreferenten 
    des betreffenden Gebietes referieren zu lassen. Im übrigen hast Du, l. Fe-
    renczi auf unsere Anfrage diesbezüglich nicht geantwortet (ebenso nicht 
    auf meinen Privatbrief über die Buchreferate). Was die Übersetzung des 
    Buches betrifft, so ist der Professor dafür, und es haben sich bereits 2 
    Amerikaner, die hier seine Kurse hören, für die Übersetzung angeboten. 
    Wenn Du, l. Ernest damit einverstanden bist, so schreibe sofort außer 
    dem Rundbrief ein paar Zeilen, damit die Übersetzung begonnen werden kann.

    Die Mark-Einzahlungen der Schweizer beruhen auf Richtig-
    keit. Für welche Mitglieder die Bezahlung erfolgte, mußt Du, l. Abraham bei 
    Lüthy direkt erfragen (ich weiß nur von Schneider, Riga und Gontaut de 
    Biron, Warschau). Was Delgados Vorwort betrifft, so ist der Professor von 
    seinem Zartgefühl, ebenso angenehm berührt wie von Deiner Bescheidenheit, 
    l. Abraham, möchte Dir aber raten, diese Zurückhaltung aufzugeben, besonders 
    in diesem Falle, wo es sich um einen entschieden jüngeren (28-jährigen 
    Kollegen) handelt.– Der Berliner Rundbrief, den wir erhalten haben, war 
    offenbar für Jones bestimmt, da er die Ausschnitte enthielt, die wir jetzt 
    nach London weiter geben und einen handschriftlichen Zusatz Abrahams, daß 
    Paket und Brief eingetroffen seien.

    Ad Bpst. Alle Deine Sendungen, lieber Ferenczi sind richtig einge-
    troffen. Besten Dank. Was ist mit Róheims Referat zur Massenpsychologie? 
    Wir wollen ihm jetzt Flügels History of Family zum Referat schicken. Das 
    ungarische Tagebuch scheint uns für die Kindersammlung ungeeignet, doch hoffen 
    wir eine Verwendung dafür zu finden.– Deuticke teilte mir kürzlich mit, 
    daß nach seinen Aufzeichnungen Dick die Übersetzungsrechte der ungar. 
    Traumdeutung bis jetzt noch nicht bezahlt hätte. In diesem Falle stünde ja 
    die Sache günstig für uns.

    Ad Lndn Oberndorf hat die Tic-Diskussion übersetzt und heute abge-
    liefert. Rickman zeigte sich von der Aussicht, Redakteur des Journal zu wer-
    den, sehr geehrt; Strachey hat die Übersetzung der Massenpsychologie 
    schon an Hiller abgeliefert. Was die Übersetzung von Leonardo betrifft, 
    so ist die Sache in Ordnung, da sie von Brill stammt. Allerdings hat Mof-
    fat bis jetzt an Deuticke noch nichts gezahlt. Das Buch erschien 1916, 
    ist aber erst nach dem Krieg zum Professor gekommen.

     

    [Rest des Briefes fehlt]