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S.
Wien, am 1. April 1922
Liebe Freunde!
Die Einrichtung und innere Organisation des
Verlages macht gute Fortschritte. Heute beginnen wir mit
der Bücherauslieferung in unseren neuen Räumen und ich
hoffe, daß wir bis Ostern vollständig neu organisiert
sein werden. In der Zwischenzeit hat natürlich nur der
Verkauf der Bücher gestockt – was uns aber wegen des
gleichzeitigen Streiks nichts gemacht hat – die Produktion war
glücklicherweise keinen einzigen Tag unterbrochen. So war
es uns also auch möglich, heute vier neue Bücher herauszu-
bringen, und zwar: Varendonck, Ferenczi: Populäre Vorträge,
Bernfeld: Vom Gemeinschaftsleben der Jugend und die 2. Aufl.
von Rank: Mythenforschung. – Die beiden ersten Hefte des neuen Jahr-
ganges von Zeitschrift und Imago werden noch vor Ostern
versandt werden. – Die Arbeiten befinden sich jetzt eine Reihe
Neuauflagen (fast aller Freudschen Werke, Tagebuch, Groddeck),
ferner das nächste Beiheft von Hollós–Ferenczi: Paralyse,
und nach Ostern beginnen wir mit der Imago-Bücherei, als de-
ren erste Nummer die Tolstoi-Analyse von Ossipow und
ein neues religionspsychologisches Buch von Reik erscheinen
werden. – In der englischen Library werden bald »Jenseits«
und »Massenpsychologie« sowie ein Sammelband von Jones er-
scheinen. –Die Verhandlungen bezüglich der psa. Poliklinik
in Wien scheinen günstig fortzuschreiten. Es sind nur noch
administrative Schwierigkeiten zu überwinden (Einspruch
der wirtschaftl. Organisation der Ärzte gegen diese Art der
„Konkurrenz“), sollten diese bald überwunden werden, so ist
beabsichtigt, das Ambulatorium am 1. Mai zu eröffnen. –Was den Kongreß betrifft, so haben wir in der
letzten Sitzung den nunmehr feststehenden Termin mitgeteilt
und auf die Anfrage, wer zu kommen gedenkt, hat sich beinahe
die ganze Vereinigung, d. h. alle anwesenden Mitglieder
gemeldet, so daß auf eine Beteiligung von 20–25 Mitglie-
dern zu rechnen ist. Auch einige von unseren ständigen
Gästen – also unsere außerordentlichen Mitglieder – habe
sich über Absicht zu kommen gemeldet.Aus Rußland hat der Professor Nachricht von
Dr. Wulff erhalten, der früher in Odessa war, jetzt in Moskau
arbeitet und das gleiche von dem großen psa. Interesse
berichtet, das wir schon aus früheren Berichten ken-
nen. Eine interessante Neuigkeit ist die, daß es in Moskau einen
psa. Verlag gibt und daß Wulff die Vorlesungen für diesen
übersetzt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Dir, l. Eitingon,
mitteilen, daß Dr. Citron vor einigen Tagen eine Karte
mit der Anfrage, ob ich seinen Brief nicht erhal-
ten habe […] Ossipow in Prag […].
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S.
Da ich die verlorengegangenen Briefe der Verleger
jetzt schon zur Genüge kenne, habe ich natürlich die
Adresse von Ossipow nicht mit angegeben. – Wulff schreibt ferner,
daß sie in Moskau nach pa. Literatur ausgehungert sind und
über Zusendung der letzten Erscheinungen sehr dankbar wären.
Vielleicht weißt Du, l. Eitingon, einen Weg, wie man Nachrichten
und vielleicht auch Broschüren hineinbringen könnte?Bei Gelegenheit der Übersetzungsfrage möchte ich gleich
hier Dir, l. Ferenczi, mitteilen, daß ich mit Radó alles Nötige
besprochen habe und Dick entsprechend hinhaltend behandeln
werde. Inzwischen haben wir durch Vermittlung von Storfer
ein vorläufig mündliches Angebot von der Becsi Magyar
bekommen, die uns viel günstigere Bedingungen bietet als Dick und
jeder andere Verleger bisher, und die mit großen Mitteln zu ar-
beiten gewohnt ist. Sie bieten dem Verlag das Fünffache des
äußersten Dickschen Angebotes, von dem als Übersetzungshonoraren
ö.K. 20.000.– pro Druckbogen und für den Herausgeber
(Ferenczi) ein entsprechend hohes Extrahonorar. Daneben bie-
ten sie uns alle nur gewünschten Garantien für die Würdigkeit
der Ausstattung, Güte der Übersetzung, Termin der Publika-
tion etc. Sollte der Vorschlag ernsthaft Gestalt annehmen,
so werden wir uns noch sehr überlegen, ob wir die Sache
selber machen oder an dieses Unternehmen abgeben. Jedenfalls
scheint die Kombination Dick ziemlich ausgeschlossen. Wenn ich Radó
richtig verstanden habe, hast Du jetzt nur auf 4 Jahre
abgeschlossen, nach welcher Zeit auch die jetzt bei Dick be-
findlichen Sachen übernommen werden könnten. Bitte mir so-
gleich nach Erhalt des Briefes mitteilen, welche Arbeiten vom Prof.
bis jetzt bei Dick, Ungarn, erschienen sind.Was die Frage der rumänischen Übersetzungen des Dr. S.
betrifft, so ist darauf zu antworten: 1. Sind sämtliche Bücher,
die er verlangt, Eigentum von Deuticke; 2. Auch für den Fall
als er Werke unseres Verlages verlangen sollte, würden wir
dies in diesem Fall wie in jedem ähnlichen – verweigern,
weil der Verlag grundsätzlich die Übersetzungsrechte nicht an
Personen (Übersetzer), sondern nur an den betreffenden Ver-
leger direkt verkauft; 3. Die Frage des Übersetzers ist von
der des Verlages streng zu trennen. Der Übersetzer autorisiert
der Autor, in diesem Falle der Professor, und zwar nur, nach-
dem er sich eine Überzeugung von der Güte der Übersetzung
verschafft hat. Daß jemand versichert, er beherrsche die
betreffende Sprache, genügt uns natürlich noch lange nicht.ad Berlin: Wir freuen uns der jetzigen allgemeinen über-
einstimmung in den Kongreßfragen. Zum gemeinsamen Es-
sen möchten wir nur noch bemerken, daß wir uns dieses als ganz
inoffiziell vorstellen und selbstverständlich auch keine all-
gemeine Verpflichtung zur Teilnahme daran denken. Damit
fällt auch jedes weitere Problem weg (auch das der Abstufung).ad London: Wir freuen uns, l. Ernest, daß Du mit Blumgart
und Oberndorf in Kontakt gekommen bist. Wir hoffen, daß sich
die Früchte dieser Verbindung mit Amerika bald zeigen werden.Die Rechte der 5 Vorlesungen sollte man doch für England
erwerben.Mit herzlichen Grüßen
[Rank / Freud]