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Antwort auf: Wien Nr. 4
B. L. Nr. 4, Bp (ohne Nummer!) am 11. (13.) II. 1921Liebe Freunde!
Es war mir beim besten Willen absolut unmöglich, den Rundbrief
früher als am heutigen Sonntag zu schreiben und ich bitte, die Verspätung
nicht übel zu nehmen. Zur näheren Erklärung will ich den Wiener Bericht vor-
anstellen und bei dieser Gelegenheit vorschlagen, daß wir es alle von nun
an so halten, daß der Brief mit dem Eigenbericht – der ja doch immer interes-
santer ist – beginnt und die Antworten dann am Schluß bringt.Im Verlag ist jetzt mehr denn je zu tun. Einerseits weil sich
das Geschäft außerordentlich hebt und wir natürlich bisher auf einen solch-
en Großbetrieb nicht eingerichtet sind; andererseits habe ich glücklicherweise
jetzt schon so viel zu tun, daß ich es nicht mehr bewältigen kann und eine
gründliche Neuorganisierung vornehmen muß, ohne die Entscheidung in der Kola-
Sache abwarten zu können. Der Verlag wird in der zweiten Hälfte Februar in
die neuen Büroräume überwechseln, wo das vorhandene Personal einen Teil der admini-
strativen und expeditiven Arbeiten sofort übernehmen kann. Außerdem brauchen
wir noch jemanden, der mir einen Teil der Geschäfte abnehmen kann. Aus dem
Engagement Bernfelds ist leider nichts geworden, da sein Gesundheitszustand
nicht der Art ist, daß er sich den Strapazen eines, man kann schon sagen, auf-
reibenden Berufslebens aussetzen kann. Außerdem fehlte ihm nach eige-
nem Geständnis gerade in den Fächern, die wir brauchen, die nötige Kenntnis
und Erfahrung (Kalkulation, Herstellung, Buchtechnik etc.). Nun hat mir ein – wie
ich glaube – glücklicher Zufall den Mann zugeführt, der alles das nicht nur
kennt und versteht, sondern geradezu eine Vorliebe dafür hat und außerdem
psychoanalytisch gebildet ist: nämlich Storfer. Er war bis jetzt bei einem
sehr großen ungarischen Verlage in Wien und als er mir erzählte, daß er
dort ausgeschieden sei, machte ich ihm sofort den Vorschlag, die Stelle bei
uns anzutreten. Er ist gerne darauf eingegangen und auch der Professor ist
damit sehr einverstanden, da er die ganze Zeit über darauf gedrängt hatte, daß
ich mir eine Entlastung schaffen müsse. Ich habe noch nicht definitiv mit Storfer
abgeschlossen und werde es jedenfalls zuerst versuchsweise machen, aber nach
den Proben, die ich angestellt habe, glaube ich nicht nur mir persönlich, son-
dern auch dem Verlag zu dieser Acquisition nur gratulieren zu können. Selbst-
verständlich lassen wir alle gebotenen Vorsichten walten, die namentlich Du,
l. Ferenczi, mir nahegelegt hast. Jedenfalls kann für uns nur eines
ausschlaggebend sein: ob der Mann seine Arbeit leisten wird! Und das wollen
wir jetzt probieren. –Bei dieser Gelegenheit die Mitteilung des Verlages, mit der Bitte, sie in
den Gruppen zu verlautbaren, daß wir von nun an die Honorare für die beiden
Zeitschriften in Mark bezahlen resp. berechnen, und zwar jeden Fall individuell,
wobei wir jedoch unter ein gewisses Minimum nicht heruntergehen werden. -
S.
Heft 1 der Zeitschrift ist infolge technischer Schwierigkeiten noch
nicht ausgedruckt und wird infolgedessen erst nächsten Monat erscheinen.
Inzwischen wird aber auch schon Heft 2 (das bereits in Wien gedruckt
wird) fertig sein, so daß wir dann die beiden Nummern unmittelbar hin-
tereinander ausgeben können. Für Heft 2 fehlt uns noch der Schlußteil
des Berliner Berichtes, den wir täglich erwarten. – Von neuen Manuskrip-
ten ist eines von Winterstein über die attische Tragödie und eines von
Hattingberg über die Suggestion zu melden: beide Bücher, die wir wahr-
scheinlich bringen werden (ich schreibe darüber separat an Jones, da es
sich bei einem oder event. beiden auch um englische Ausgaben handeln
könnte.)Über die Diplomfragen etc. haben wir letzten Donnerstag
eine besondere und interessante Sitzung abgehalten, deren Bericht zum
gewünschten Zeitpunkt (bis 28. ds. M.) in London eintreffen wird. Ebenso
ist veranlaßt, daß Flügel eine Liste aller Präsidenten und Sekretäre
erhält. – Von dem Rundbrief in der Reik’schen Angelegenheit haben wir
hier in Wien bisher kein Exemplar erhalten, während wir meinten, doch
auch Anspruch darauf zu haben.Die englische Ausgabe des Tagebuches ist erschienen, soll aber
verboten werden und der Verleger kämpft um die Freigabe. Ich (Rank)
habe gestern das erste Exemplar bekommen, für dessen Zusendung ich Dir, l.
Jones, bestens danke; wir wünschten aber noch einige Exemplare für die
Herausgeberin Frau Dr. Hug, dann für den Professor, für Hiller etc. Bitte,
l. Jones, das beim Verleger zu urgieren. Das Übersetzungshonorar haben
wir ehrlich mit Frau Dr. Hug geteilt, der die 20.000 Kronen wie ein Haupt-
treffer erschienen! Gestern habe ich eine weitere Auflage von 2000 Exemplaren
des Tagebuches bestellt, da die deutsche Auflage schon vergriffen ist.
Jones’ Buch „Die Behandlung der Neurosen“ ist in Druck gegeben worden.Endlich hat der Professor das nachstehende Telegramm erhalten,
das er mit der Aufforderung, event. Meldungen an ihn gelangen zu lassen,
auf diese Weise den Ortsgruppen zur Kenntnis bringt:„Do you know of any English speaking analyst in Europe who would
come to Philadelphia to practise. Five thousand Dollars guaranteed
first year. Answer by cable my expense. W. T. Harris, 3944 Chestnut Street,
Philadelphia.“ad Berlin: Daß die von Oberholzer gesandten Beiträge zweier
Schweizer Mitglieder zur Zentrale an Volckmar gesandt wurden, scheint
auf einem Mißverständnis zu beruhen. Beiträge für die Zentrale gehören
nach London, Volckmar hat mit dem Verein gar nichts zu tun. Wir bitten
uns ehestens mitzuteilen, welcher Betrag bei Volckmar gezahlt wurde und
durch wen er zu Volckmar geschickt wurde, damit wir die Möglichkeit haben,
ihn aus der dortigen Verrechnung auszuscheiden; ferner ersuchen wir um
Angabe, wohin wir den Betrag senden sollen. Bei dieser Gelegenheit bit-
ten wir zur Kenntnis zu nehmen, daß Beträge an Volckmar nur für Bücher-
und Zeitschriften-Lieferungen oder auf besondere Aufforderung zu schic-
ken sind. Eventuelle andere Zahlungen an uns in Deutschland sind auf
unser Bankkonto bei der Mitteldeutschen Creditbank, Berlin, Kola & Co.,
zu überweisen. Aber die genannten Beträge der Schweizer Mitglieder schei-
nen mit dem Verlag überhaupt nichts zu tun zu haben, soweit ich Abrahams
Nachricht verstehen kann. In zweifelhaften Fällen bitte immer vorher an-
zufragen. -
S.
Bezüglich der Anfrage Hesnard und ähnlicher würden wir raten die Leute
darauf hinzuweisen, daß der beste Weg, die Verbindung wieder mit uns auf-
zunehmen, die Post ist, die ja wieder funktioniert. Der Umstand, daß der
Mann nicht wiedergekommen ist, zeigt ja deutlich den Widerstand. Im all-
gemeinen möchten wir aus unserer bisherigen schlechten Erfahrung drin-
gend davon abraten, irgend jemandem nachzulaufen und sich um seinen
Anschluß zu bemühen. Es hat sich gezeigt, daß wir bisher alle diese
Bemühungen später sehr bereuten und der Sache damit gar nicht genützt
haben. Wenn jemand den ernstlichen Willen hat, mit uns in Verbindung zu
treten, so findet er von Südamerika und Indien her auch den Weg!Über die Münchner Gründung sind wir nicht so pessimistischer
Ansicht. Auch da können wir ruhig abwarten, wie sich die Sache entwick-
elt. Gewiß haben alle die Genannten ihre Fehler, die wir kennen; aber
ambivalente Zwangsneurotiker gibt es, wie wir wissen, noch in anderen
Gruppen, wahrscheinlich sogar in allen. Marcinowski hat in einem reuigen
Brief Besserung versprochen. Hattingberg hält vor einem kleinen Hörer-
kreis Vorträge und vielleicht trägt das sowie der Zusammenschluß
mit den anderen doch zur Klärung der gegenseitigen Ansichten bei. Reik
dorthin zu entsenden hielten wir für verfehlt; dies würde gewiß nur
übel ausgelegt werden (nämlich wie Sachsens Anwesenheit in der Schweiz)
und wir wollen uns auch in dieser Richtung lieber zuwartend verhalten
als Missionäre zu entsenden.In der Angelegenheit Liebermann haben wir gewiß volle Sympa-
thie für ihn und sind für mildeste Behandlung, hoffen aber doch, daß
sich ein Weg finden läßt, um die damit verbundene Beschädigung der all-
gemeinen Interessen zu vermeiden. Wir nehmen gerne Notiz von dem Ver-
sprechen, daß dies geschehen wird.ad London: Den Fall Brill hält der Professor für verloren und
erwartet nichts mehr davon. Er meint, Brill, der wegen seiner schlechten
Übersetzungen grolle, werde überhaupt nicht antworten.Mit den besten Grüßen
[Rank Freud]