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Wien, am 21. Juni 1921
Liebe Freunde!
Mit Rücksicht auf die herannahenden Sommerferien und
die Abwesenheit des Professors von Wien möchten wir vorschlagen,
den Rundbrief während der Sommermonate einzuschränken, und zwar so,
daß wir ein- mal im Monat schreiben, wobei wir im Hinblick auf die Zu-
sammenkunft Ende September den 1-ten Monatstag wählen wür-
den. Wir würden also den letzten normalen Rundbrief am 11-ten Juli schreiben, den
nächsten am 1-ten August (ich, Rank allein auf Grund der bei mir ein-
laufenden Nachrichten, da ich den ganzen Sommer über in der Nähe Wiens,
Mödling, Bergstraße 3, verbringe.Im Verlag erscheinen in der 1-ten Hälfte Juli 5 neue Bücher
(Massenpsy- chologie, Jahresbericht, Stärcke, Psa und Psychiatrie, Jones: Thera-
pie der Neurosen und 2-te Aufl. Jenseits). Als nächster Schub sollen dann
im Herbst erscheinen: Ferenczi: Gemeinverständliche Vorträge über Psa, Bernfeld:
Jugendforschung, Varendoncks Arbeit über das Phantasieren, Zeitschrift, H. 3,
Imago, Heft 3 und einige Neuauflagen, darunter eine Taschenbuchausgabe der Vor-
lesungen. Vor einigen Tagen ist endlich Heft 4 des engl. Journal als Ab-
schluß erschienen. Die italienische Übersetzung der 3 Abhandlungen
von Professor Bianchini geht dieser Tage in Druck. Die italienischen Vor-
lesungen, von Dr. Weiss2 in Triest übersetzt, sollen von einem Verleger in
Neapel gedruckt werden.Von Ossipow, der jetzt in Prag lebt, kam eine Arbeit
„Zum Begriff des Sexuellen“, bei der Professor im Zweifel ist, ob wir
sie bringen sollen, andererseits legt O. selbst keinen besonderen Wert da-
rauf und verspricht eine Arbeit über Tolstois Jugend. Von Feldmann, Buda--
pest, kam eine sehr schöne Arbeit: Über das Erröten, deren Ergebnisse der
Professor aus der Analyse eines Falles vollinhaltlich bestätigen kann.
Gleichzeitig bestätigen wir den Empfang von Ferenczis kurzem aber glän-
zenden Nachtrag zur Brückensymbolik. Bei dieser Gelegenheit möchten wir
ganz besonders die schönen Leistungen der Budapester Gruppe gebührend
anerkennen.– Löwenfeld-München wandte sich an den Professor mit der Nachr-
icht, daß ein Dr. Krücke (oder Krüche?) aus Großlichterfelde ihm für
die Grenzfragen eine Arbeit „Marx und Freud. Versuch einer Synthese“
angeboten habe. Löwenfeld bittet um Auskunft über den Mann und der Profes-
sor, der den Namen nie gehört hat, gibt diese Anfrage hiermit an Berlin weiter.Ad L.: Von der Leipziger Gruppe wissen wir noch nichts, aber
die Verhandlungen gehen weiter und der Professor hat Voitel bei seinem
Besuch in Wien vorgeschlagen, daß die ganze Gruppe an Stelle von 2 Mitglie-
dern in die Vereinigung eintreten möge. Bei Gelegenheit der Anfrage von
Jones bezüglich des Anschlusses der Laiengruppe in Porth, möchten wir
Dich lieber Ernest bitten, diese Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen,
ohne in das starre ärztliche Prinzip, welches sich als unhaltbar erweist, -
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eine Bresche zu schlagen. Sobald wir angewandte Analyse treiben, können wir
die Laien nicht mehr ausschließen, unter denen sich die wertvollsten Kräfte
befinden.– Der Brief von Prof. Junker, worin er sich auf Washington beruft,
zirkuliert eben und wird Dich hoffentlich bald erreichen.– Miss Harborn
hat sich heute bei mir (Rank) zur Analyse angemeldet, ebenso eine andere
Angehörige der Brunswick-Klinik, Miss Swan, während sich Mrs. Brierley bereits
früher gemeldet hatte, so daß [sich] jetzt nahezu das ganze Institut in Analyse be-
finden wird.Ad Bpst. Die beste Reaktion auf Brill scheint uns jetzt, ihm gar
nicht zu antworten. Seine Rechte an den englischen Übersetzungen hat Profes-
sor ihm ja entzogen. Von dem „Psychoanalytischen Verlag“, in dem Professor
Junkers okkultes Organ erscheint, legen wir jedem Brief eine buchhändle-
rische Ankündigung zur Charakterisierung bei. Der Verlag hat bereits wegen
des Titels Rekrimination erhoben, ist aber bis heute ohne Antwort.Ad Bln. Deinen Vorschlag, lieber Abraham, ausführliche Protokolle
zu veröffentlichen, halten wir für nachahmenswert und wollen es vom nächsten
Sitzungsjahr angefangen auch versuchen.Nachtrag: am heutigen Abend findet eine außerordentliche Sitzung der
Vereinigung statt, um über den Vorschlag einer hiesigen amtlichen Stelle (Unter-
richtsministerium) zu beraten, welche sich bereit erklärt hat, der Vereinigung
im Garnisonsspital Wien, den entsprechenden Raum für eine Poliklinik zur Verfügung
zu stellen. Sollte die Sache zu Stande kommen, so würde der Professor, der offi-
ziell gar nichts mit der Klinik zu tun haben will, ihr doch vom Fond aus eine
größere jährliche Suspension auswerfen.Mit herzlichen Grüßen
[Rank Freud]