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Wien, am 1. Juli 1921
Liebe Freunde
Von hier nichts Besonderes zu berichten.– An eingegangenen
Manuskripten ist erwähnenswert Hermanns Randbemerkungen zum Wiederholungs-
zwang, die ganz interessant sind und die wir gelegentlich bringen werden. Dann
von einem Holländer (van der Wolk, von dem im letzten Imago eine Arbeit war)
eine gute Arbeit über die indischen Götter und ihre Attribute, die sehr merk-
würdige Anklänge an die im „Jenseits“ aufgestellte Trieblehre zeigt, aber nicht
sehr gut disponiert ist; wir werden den Autor zu einer Verbesserung aufmuntern.
Dann eine kurze Abhandlung von Simonson (Berlin) über die Schleich’schen Theorien,
die wir, obwohl nicht streng zur Analyse gehörig, doch auch gelegentlich abdruc-
ken werden.– (Die Arbeit von Coriat über den Kaufmann von Venedig, eigentlich
Shylock, findet der Professor sehr schwach, glaubt aber, daß wir uns der Publi-
kation doch nicht entziehen können6; für Jones).Varendonck, dessen Buch über das Phantasieren der Verlag in Druck
hat, sandte dem Professor ein nicht zur Publikation bestimmtes Manuskript über
die Entwicklung des Bewußtseins (These für die Sorbonne), worin [er] eine ganz gute, a
ber nicht gerade neue Formel für das Bewußt- sein bringt.–Über die Wiener Klinik ist nichts Neues zu melden; von der Lon-
doner Klinik sind bis jetzt drei Damen bei mir (Rank) angemeldet.ad Bln. Wir glauben gar nicht, daß sich Prof. Junker als Amerika-
ner ausgeben wollte. Er berief sich nur auf einen Auftrag, den er aus Washington
erhalten haben wollte; vielleicht läßt sich erfahren, wer er eigentlich ist?
Bezüglich der Sommerrundbriefe möchten wir uns Abrahams Vorschlag, der sich mit
unseren kreuzte, insofern zustimmen, als wir für einen Brief regelmäßig im Mo-
nat und für einen fakultativen in der Mitte des Monats plädieren.– Die Zeit-
schriften-Reklamation werde ich verfolgen; es scheint so zu sein, daß das 2.
Exempl. jetzt direkt an die Poliklinik ge- sandt wird.– Über den nächsten Lit.–Be-
richt werden wir uns ausführlich im September unterhalten.ad Bdp. Wir freuen uns über die rege Übersetzungstätigkeit und
bringen in Erinnerung, daß unser Verlag auf die nächsten ungarischen Über-
setzungen der Werke des Professors reflektiert.–ad L. Wir freuen uns über das Anwachsen der Bewegung in England.
Was besonders die pädagogische Gruppe in South Wales betrifft, so habe ich (Rank) au-
genblicklich eine Patientin vom University College, Car- diff, in Analyse, der
aber von dieser Gruppe gar nichts bekannt ist (sie ist selbst auch Pädagogin
und sagt, daß kein Mensch in Cardiff eine Ahnung von der Analyse hat; sie selbst
macht einen durchaus ernsten und vertrauenswürdigen Eindruck). Was die Laien-
frage betrifft, so muß dabei offenbar zwischen der Teilnahme nichtärztlicher
Mitglieder an den Sitzungen und wissenschaftlichen Arbeiten und der eigentl.
[ärztlichen] Analyse, die ja über den Rahmen der Vereinigung hinausgeht, unter- -
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schieden werden. Die erste Gruppe ist durch die Tatsache der Anwendung der
Geisteswissenschaften und durch die Existenz der Imago zweifelsohne anzu-
erkennen und zu begrüßen. Aber auch bei der zweiten Gruppe – der eigent
lichen Laien-Analyse, dürfen wir uns dem Gedanken nicht verschließen, daß
die Heranziehung solcher Laien in den Bereich unseres Einflusses noch das
wirksamste Mittel zur Bekämpfung eventu- eller Auswüchse dieser Bewegung dar-
stellt, ferner daß die Aufnahme in unseren Kreis auch für sie der einzige
Weg ist, um die Analyse zu lernen, den wir ihnen nicht verschließen sollen,
und endlich, daß die Ärzte ja auf dem Gebiet der Analyse auch Laien sind und
die ganze Entscheidung sich dadurch verschiebt zum Problem: Laien (inklu-
sive ärztliche) und Nichtlaien, d.s. Analytiker.– Wir wissen sehr wohl, daß
bis auf einige wenige ausgebildete Analytiker alle anderen Laien sind und wir
haben die Aufgabe, diese Laien, soweit sie sich an uns wenden oder unserem
Einfluß zugänglich werden, in Analytiker zu verwandeln; das ist aber nur
durch Aufsaugen zu erreichen, nicht indem wir sie zurückweisen. Die Analyse
ist aber nichts rein ärztliches und wir halten es für vollkommen ungerecht-
fertigt, jemanden deswegen zurückzuweisen, weil er kein Arzt ist.–Wie schlecht es um Amerika steht, wissen wir ja alle und haben es mit
Bedauern, aber ohne Überraschung aus Deinem letzten Bericht wieder erfahren.
Wir erhoffen uns Besserung von Frink, der zweifellos eine wertvolle Akquisi-
tion für uns werden kann.Bezüglich der französischen Ausgabe hat der Professor an Varendonck
geschrieben, er möge sich mit dem Verlag (Rank) ins Einvernehmen setzen.(Die französische Übersetzung der Vorlesungen soll übrigens noch vor
Jahresschluß bei Payot in Paris erscheinen.– Derselbe Verleger bewirbt sich
jetzt um das Alltagsleben, ebenso wie ein italienischer Übersetzer). Mit herzlichen Grüßen[Rank Freud]