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    Wien, am 14. Oktober 1920

    Liebe Freunde!

    Wir bestätigen dankend den richtigen und prompten Empfang des ersten
    Rundbriefes (Budapest, Berlin, London), und freuen uns, durch diesen ständigen
    Kontakt so viele interessante Neuigkeiten zu erfahren.

    Von hier ist diesmal nicht so viel zu berichten.

    Verlag: Herr Kola, mit dem Rank gesprochen hat, scheint weiter sehr geneigt, unse-
    ren Verlag zu übernehmen und dem seinen anzugliedern. Er gründet eine A.G. mit
    einem Kapital von 50 Millionen Kronen, den „Richard Kola Verlag“, dem er unser Un-
    ternehmen als selbständige Abteilung angliedern will. Er kauft den Psa.-Verlag
    und übernimmt Rank als seinen Angestellten als Leiter dieser Psa.-Abteilung.
    Kapital brauchen wir gar keines. Er gibt uns volle Entwicklungsmöglichkeit für
    unsere Literatur: kurz alles, was wir wünschen können. – Über Details wurde noch
    nicht gesprochen. Sein Verlag soll am 1. Januar die Tätigkeit beginnen, da wir aber
    schon bestehen und sogar größtenteils bei den Kolaschen Druckereien arbeiten
    lassen, stünde einer eventuellen früheren Übernahme unseres Betriebes nichts im Wege.
    Der Verlag – der in dieser Woche auch zum endgiltigen Abschluss der Heller-
    schen Verrechnung kommt – wird jetzt Bilanz und Inventuraufnahme machen und auf
    Grund derselben einen Kaufpreis ermitteln, den Kola für die Übernahme aller
    Werte und Aktivposten zu bezahlen hätte. Wir hoffen, dass diese Summe so hoch aus-
    fallen wird, dass sie das bisher vom Fond in den Verlag investierte Kapital deckt
    und dass Kola keinen Anstand nehmen wird, die geforderte Summe auch zu bezahlen.
    Da er ferner Rank direkt aufgefordert hat, seine Gehaltsansprüche als Verlags-
    leiter bei den Verhandlungen zu nominieren, ist zu hoffen, dass er dessen Mini-

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    malforderung von K 10.000 monatlich akzeptieren wird, welche wirklich unter den
    heutigen Lebensverhältnissen die unterste Grenze des Einkommens bei nur halbwegs
    annehmbaren Lebensbedingungen darstellt. Diese zwei Punkte: Kaufsumme und
    Gehalt, werden bei den, etwa in einem Monat beginnenden direkten Verhand-
    lungen entscheidend sein. Inzwischen bleiben natürlich die Beziehungen zu Kola
    – auch durch Vermittlung seines uns sehr wohlwollend gesinnten Prokuristen
    Dr. Steiner – aufrecht. –

    Wegen des von Brill s. Z. dem Verlag überwiesenen Geldes, das wieder zu-
    rückgegangen war, hat Professor jetzt an Brill geschrieben und ihm gesagt, dass
    der Verlag es gut brauchen könnte.

    Róheims Buch erscheint jetzt sicher in unserem Verlag, da er schon die
    Überweisung einer bestimmten Summe als Beitrag zu den Herstellungskosten
    angekündigt hat (bes. für Jones). –

    Vom Jahresbericht fehlen noch immer die Beiträge von Eitingon, Boehm,
    Róheim und Rank (letzterer schon in Arbeit; Boehm schon angekündigt). Besonders
    peinlich ist das Fehlen des Eitingonschen, da er ganz vorne zu stehen kommt
    und die ganze Druckereiarbeit dadurch aufgehalten ist. – Róheim soll von Ferenczi
    angespornt werden. (Für Jones: der italienische Literaturbericht, der aller-
    dings schlecht ist, möge von Jones nicht ganz weggelassen werden bei der Über-
    setzung, da er doch das einzige Bild der italien. Literatur gibt. Redaktionell
    hat uns der betr. Ref. alle Freiheiten gelassen und der engl. Übersetzer kann
    davon Gebrauch machen.) –

    Verein. Gestern war die erste Sitzung der Vereinigung; nichts besondere
    zu berichten. – Die rein formellen Geschäfte (Statuten etc.) werden hoffentlich
    immer mehr in den Hintergrund treten und wo ihnen nicht auszuweichen ist, da
    hoffen wir, dass das Präsidium sie intern erledigen wird.

    Nunberg hat sich prinzipiell bereit erklärt, nach Berlin zu gehen und sich be-
    reits mit der dortigen Poliklinik in Verbindung gesetzt. –

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    Prof. Alf. Fr. Pribram, der Historiker unserer Universität, der übrigens in Eng-
    land geboren ist und viel dort gelebt hat, erzählte Prof. Freud, dass in Cam-
    bridge, wo er mehrere Wochen im Sommer als Gast weilte, ein sehr starkes Inter-
    esse für die Psa., besonders für die in Totem und Tabu versuchten Anwendungen
    derselben besteht (Das Gleiche bestätigte ein zweiter Wiener Professor Rob. F.
    Arnold). – Pribram hat auch die Redaktion aller auf Oesterreich bezüglichen
    Artikel der nächsten Auflage der Encyclopedia Britannica (vielmehr ihrer Er-
    gänzungsbände) übernommen und verspricht, einer ausführlichen Erwähnung der
    Analyse darin Raum zu schaffen.

    Schliesslich – last not least – sprechen wir Jones unsere herzlichsten
    Glückwünsche, auch auf diesem Wege, aus. – Sein Hinweis auf die anderen Analy-
    tiker, die mit Töchtern begonnen haben, ist wohl als Trost zu verstehen;
    um so merkwürdiger, dass Jones nur solche nennt, die auch mit diesen Töchtern
    aufgehört haben und die anderen, möglicherweise sogar bedeutenderen Analytiker
    nicht, die sich mit der ersten Tochter nicht zufrieden gaben.

    Mit herzlichen Grüssen

    [Freud / Rank]

    P. S. Auf dem Berliner Brief vermissten wir die Unterschrift Eitingons, zu
    der jetzt noch die Sachs’ hinzukommt. –

    [Handschriftliche Notiz von Freud:]
    Prof. Alf. Fr. Pribram, der Historiker unserer Universität erzählt, dass in
    Cambridge, wo er mehrere Wochen als Gast verweilte, ein sehr starkes Interesse
    für die Psychoanalyse, besonders für die in Totem und Tabu versuchten Anwendun-
    gen derselben besteht.
    Pribram hat auch die Redaktion aller auf Österreich bezüglichen Artikel der
    nächsten Encyclopedia Britannica (vielmehr ihrer Ergänzungsbände) übernommen
    und verspricht, einer ausführlichen Erwähnung der Analyse darin Raum zu schaffen.