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[Briefkopf II Berlin] 5. III. 09.
Lieber Herr Professor,
Diesmal habe ich Ihnen für Ihren ausführlichen Brief zu danken, der für mich persönlich soviel Erfreuliches enthielt, und zugleich für den Sonderabdruck und die »Kleinen Schriften«. Ihre Ausführungen über den hysterischen Anfall, die für mich gerade in ihrer Kürze und Schärfe so besonders einleuchtend sind, gaben gestern Oppenheim in der Poliklinik bei Untersuchung einer hysterischen Frau Anlaß zu einem Ausfall: es sei einfach unerhört etc. Gerade gestern schlug ihm einer der Assistenten vor, man könnte doch die poliklinischen Patienten etwas über ihr Sexualleben befragen – er lehnte es aber mit starkem Affekt ab. Sie haben also mit Ihrer
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Meinung über O. durchaus das Richtige getroffen. Die Berliner Psychotherapie ist überhaupt etwas Schönes; der beiliegende Ausschnitt zeigt Ihnen, wie man hier eine offenbar psychogene Migräne kuriert. Die traumatische Neurose will ich jetzt noch nicht bearbeiten. Die Patienten in O.s Poliklinik kann ich jetzt nicht gut in Gespräche über ihr Sexualleben verwickeln. Ich werde nun wohl zu- erst Segantini in Angriff nehmen. Wenn die Arbeit gelingt und umfangreich genug wird, um als selbständiges Bändchen zu erscheinen, so möchte ich sie natürlich nur in den »Angewandten« publizieren und danke Ihnen schon im voraus für die Einladung dazu. Über Traum und Mythus habe ich, außer einer Zeitungsnotiz, noch gar nichts gelesen. Ich freue mich
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umso mehr, daß Sie günstige Äußerungen gehört haben. – Eine kleine Arbeit von Wulff haben Sie wohl erhalten – eine ganz gute, aber nicht gründliche Analyse. Meine Analyse eines Bisexuellen mit weitaus vorwiegender Homosexualität ist bald zu Ende und bedeutet einen sehr guten Erfolg. Der Hysterie-Fall, wegen dessen ich neulich um Ihren Rat gebeten habe, geht auch dem Abschluß entgegen, d.h. die schwersten Widerstände sind gelöst und der therapeutische Erfolg ist schon ziemlich weitgehend. – Wie ich höre, soll in der von Stern in Breslau herausgegebenen Zeitschrift ein Sammelreferat Ihrer Arbeiten erschienen sein. Sonst gibt es heute nichts zu berichten. Mit besten Grüßen Ihr ergebener
Abraham
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