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    [Briefkopf III Berlin] 13. X. 12.

    Lieber Herr Professor,

    Die letzten Wochen waren eine trübe Zeit für unser Haus. Vor 14 Tagen ist mein Schwiegervater an den Folgen einer Apoplexie nach neuntägiger Bewußtlosigkeit gestorben. Nun wir wie- der in ein etwas ruhigeres Fahrwasser gekommen sind, kann ich endlich Ihre Mitteilungen und Grüße aus Italien erwidern. Ich hoffe, Sie und die Ihrigen sind alle erholt aus den Ferien zurückgekehrt! Zuerst muß ich Sie nochmals mit der Übersetzungsangelegenheit langweilen. Ich schrieb Ihrem Rat entsprechend an Deuticke; dieser verlangte M. 15.– p.[er] Druckbogen, im Ganzen M. 80.–, sowie einige Exemplare der Übersetzung. Ich verlangte für meine Person das gleiche und glaube, damit keine übertriebene Forderung gestellt zu haben. (Deuticke und ich zusammen 20 Dollars.) Sie haben Jelliffe richtig taxiert. Der beiliegende Brief zeigt es. Was soll man diesem Lausbub nun antworten? Ich möchte Sie zugleich um die Freundlichkeit bitten, Deuticke den Brief zur Kenntnis zu geben. Wäre es übrigens nicht angebracht, unsre Literatur durch Vorbehalt des Copyright in jedem Falle schützen zu lassen[?] Durch die Unruhe der vergangenen Wochen bin ich noch fast gar nicht dazu gekommen, die Neuerscheinungen im Jahrbuch etc. zu lesen, mit Ausnahme Ihrer kleinen Schrift, die ich mit Freude und Bewunderung studiert habe. Zum Thema der Impotenz möchte ich demnächst auch 

  • S.

    etwas publizieren. Ich behandelte im Laufe dieses Jahres zwei Herren mit vorhandener Potentia coeundi, bei denen aber in langen Jahren nie eine Ejakulation eingetreten war. Beide Patienten sind durch die Psychoanalyse geheilt; der eine, welcher in kinderloser Ehe lebte, sieht Vaterfreuden entgegen. Ich finde über die erwähnte Störung nirgends etwas in der Literatur; nur daß es im Gegensatz zur Ejaculatio praecox auch eine verlangsamte Ejakulation gebe, wird erwähnt. Ich möchte vermuten, daß Ihnen solche Fälle auch begegnet sein werden; wenn es Ihnen keine Mühe macht, würde ich Sie bitten, mir gelegentlich ein paar Worte darüber zu sagen. Ich bedaure sehr, daß aus unsrer Zusammenkunft nichts geworden ist. Es ist so sehr vieles auf verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten, was ich gern zur Sprache gebracht hätte. Ich habe mir schon überlegt, ob ich im Laufe des Winters einmal eine kurze Reise nach Wien machen soll. Könnten Sie, lieber Herr Professor, mir schon jetzt sagen, um welche Zeit ich Sie am wenigsten stören würde, etwa kurz vor Weihnachten, oder zwischen Weihnachten und Neujahr, oder nach Neujahr? Mit herzlichen Grüßen, auch von meiner Frau, für Sie und die Ihrigen
    Ihr Abraham