• S.

    [Briefkopf III Berlin] 27. 12. 12.

    Lieber Herr Professor,

    Erst heute komme ich dazu, Ihnen ein Lebenszeichen zu geben. Die Indisposition, die in Wien begann, hat mich in den folgenden Tagen etwas energischer gefaßt. Jetzt geht es wieder, und nun will ich nicht zögern, Ihnen zunächst meinen Dank zu sagen. Für was, das ist freilich nicht so leicht aufzuzählen. Und für die herzliche Aufnahme in Ihrem Hause, für alles persönliche Interesse, das Sie mir bezeugt haben, kann man auch nur schwer mit Worten danken. Wenn ein Ihnen kürzlich gemachter Vorwurf richtig ist – daß Sie Ihre Schüler als Patienten behandeln –, dann muß ich Ihnen ein paar schwere 

  • S.

    technische Fehler vorwerfen. Erstens verwöhnen Sie Ihre Patienten, und bekanntlich sollte man das nicht tun. Zweitens haben Sie den Patienten beschenkt, wodurch dieser leicht zu einer ganz verkehrten Auffassung der Kur gebracht wird. Und endlich sind Sie vor meiner Abreise aus der Behandlung heimlich im Hotel gewesen und haben meine Rechnung bezahlt. »Wenn Sie Psychoanalytiker wären«, so würden Sie das nicht getan haben. Denn am Ende der Kur soll der Patient über seinen Fall genau so viel wissen wie der Arzt. Sie aber haben etwas vor mir geheim gehalten. Und Sie wissen doch, wie leicht ein Gefühl der Schuld zu feindseliger Einstellung führen kann! Aber da ich mit der »Behandlung« im ganzen zufrieden war, so will ich keine Klage äußern und Ihnen nur nochmals so herzlich wie summarisch 

  • S.

    danken. Die beiliegenden Zeilen übergeben Sie bitte Ihrer Gattin! Sonst gibt es heute noch nicht wieder viel zu sagen. Die Großeltern-Arbeit sende ich, wenn möglich, in den nächsten Tagen ab. Es soll dann bald noch ein kleiner Artikel über eine Deck-Erinnerung folgen. Noch eine Bitte im Namen meiner Frau. Sie würde gern englische und französische Arbeiten, die für eine der beiden Zeitschriften eingehen, übersetzen. Bisher haben es, glaube ich, die Redakteure meist selbst besorgt; vielleicht ist ihnen eine solche Erleichterung der Arbeit willkommen. Mit herzlichen Grüßen, auch von meiner Frau, Ihr ergebener Abraham