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Berlin, 24. XI. 09.
Lieber Herr Professor,
Als mir Kollege Eitingon vor einigen Tagen Ihr Bild überbrachte, hätte ich Ihnen sofort gedankt, wenn er mir nicht erzählt hätte, auf Ihrem Tisch liege ein angefangener Brief, den ich bald erhalten würde. Nun kann ich Ihnen für beides zugleich danken. Das Bild hat mich ganz außerordentlich erfreut; Ihr Aussehen vor sieben Wochen gibt es mit großer Treue wieder. Es steht nun in einem Rahmen, der es sehr gut zur Wirkung bringt, auf meinem Arbeitstisch und beaufsichtigt mit kritischem Blick das Werden der »Traumzustände«. Diese sollen im nächsten Halbjahrband erscheinen.
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Ihre neuen Projekte, von denen mir Eitingon schon berichtet hatte, machen mich sehr neugierig. Ein klein wenig bedrückend wird ja die Nachbarschaft Ihres Leonardo für meinen Segantini werden. Aber geschrieben wird er selbstverständlich, und so bald wie möglich. Die Briefe und Schriften Segantinis, auf die ich wartete, sind soeben erschienen und ich denke nun in acht bis 14 Tagen an die Arbeit gehn zu können. Zur Charakteristik unsrer Gegner muß ich noch etwas berichten. Wie ich aus bester Quelle erfuhr, hat Ziehen einem Kollegen gegenüber geäußert, er habe mich mit meinem Vortrag so abfallen lassen, um den anwesenden auswärtigen Gästen zu zeigen, wie man in Berlin über Freud denke! (Mein Gewährsmann möchte diese Mitteilung nicht weiter
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propagiert haben.) Was Sie über Ihr Seminar schreiben, interessiert mich nicht nur wegen der Besprechung meiner Arbeit, sondern namentlich wegen meines für Januar geplanten Kurses. Ich schwanke noch sehr in Bezug auf die Form, die ich ihm geben soll. Die von Ihnen jetzt gewählte eignet sich aber wohl nur für Geübtere. Von Juliusburger ist soeben eine kleine Arbeit erschienen. Er ist sehr eifrig; die Ablösung von einigen andern von ihm verehrten Autoritäten wird ihm aber nicht leicht, und dann kommt immer ein Kompromiß zustande. Ich habe diesen Zug bei ihm psychoanalytisch auf infantile Übertragungen zurückgeführt. Die Publikation läßt ihn deutlich erkennen.
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In der »Schaubühne« stand kürzlich ein kleiner Artikel einer Schriftstellerin Riemann, die durch Lektüre der »Traumdeutung« in ihr eigenes Traumleben Einblicke gewonnen hat und nun in einem Dialog die Frage erörtert, ob man durch diese Erkenntnisse glücklicher werde oder nicht. Die Verfasserin meint letzteres, und scheint Ihnen persönlich gram zu sein, denn sie schreibt statt Ihres Namens immer nur Professor F. Ich hoffe, Sie fühlen sich nun wieder ganz wohl, desgleichen Ihre Tochter, von deren Krankheit ich mit großem Bedauern hörte. Mit meiner Frau und meinen herzlichsten Grüßen für Sie und Ihr Haus, Ihr ergebener
Karl Abraham
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