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    [Briefkopf III Berlin] 29. 8. 14 Lieber Herr Professor, Offenbar sind verschiedene Nachrichten von mir nicht in Ihre Hände gelangt. Nun bin ich froh, von Ihnen endlich ausführlich zu hören; Brief und Karte kamen nach nur dreitägiger Reise an, und ich hoffe, diesem Brief wird es ebenso gehen. Es geht Ihnen allen also gut. Ich habe oft genug daran gedacht, was Ihre Kleinste wohl in England machen würde, nahm auch richtig an, daß van Emden der Vermittler sein würde. Übri- gens werden Damen aus England herausgelassen. Ein hier lebender Amerikaner hat z.B. mehrere junge Mädchen aus London abgeholt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Nachrichten aus England zu bekommen, u.a. über Dänemark. Ich gebe Ihnen für alle Fälle die Adresse einer guten Bekannten, die, wenn Sie sich auf mich beziehen, sicher jede Nachrichten-Vermittlung übernimmt (sie kann gut deutsch). »Fröken Ellen Lauritzen, Kjobenhavn Ø, Strandboulevard 66«. – Ein Bruder meiner Mutter in London hat eine Karte gesandt, die richtig bis Bremen gelangt ist. Sie war an den Postmeister in Vlissingen adressiert. Dieser wurde auf der Textseite nur gebeten, die Karte mit veränderter Adresse nach Bremen weiter zu befördern.

     

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    Ihren Martin begleiten meine besten Wünsche ins Feld! Ihnen allen, besonders auch Ihrer Schwägerin, wird es hoffentlich in dieser schweren Zeit weiter gut gehen. Bei uns ist alles wohl. Ich selbst habe mich für Lazarettdienst, eventuell auch auswärtigen und Transportdienst, zur Verfügung gestellt. Fast wäre ich schon vor einer Woche nach Dirschau (Weichsel-Mündung) abgedampft. Es entschied sich aber anders und ich bleibe – mindestens vorläufig – im Lazarett auf der Grunewald-Rennbahn. Ich habe tüchtig zu arbeiten, hauptsächlich chirurgisch, soll eventuell später speziell die psychiatrisch-neurologische Abteilung führen. Praxis jetzt sehr eingeschränkt. Zu wissenschaftlicher Tätigkeit fehlt mir noch die Ruhe. Das Bedürfnis, für die Allgemeinheit mitzuarbeiten, und die Unsicherheit der ersten Kriegswochen verschlangen alles. Doch nun liegen ja glänzende Nachrichten vor. Die deutschen Truppen stehen kaum 100 Kilometer von Paris. Belgien ist erledigt, England zu Lande desgleichen. Mit Rußland geht es jetzt nicht anders. Die österreichischen Erfolge kamen wie gerufen in den Tagen, da man hier um Ostpreußen in schwerer Sorge war. Für Sachs, Rank und Ferenczi meine herzlichsten Grüße. Ebenso für alle andern Wiener Freunde. Von Hitschmann weiß ich gar nichts. Was macht er? Von Jones sind wir wohl alle ohne Nachricht.

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    Ist es Ihnen auch so ein seltsames Gefühl, daß er zu unsern »Feinden« gehört? Nun bin ich voller Spannung zu hören, wann Sie nach Ham- burg reisen! Die Schnellzugverbindung nach Wien funktioniert schon wieder ziemlich gut. Natürlich über Berlin, und wir dürfen uns freuen, statt der Kosaken (die nach den Prophezeiungen ängstlicher Gemüter bald hier sein sollten) Sie hier einziehen zu sehen. Ein Ersatz für Seis, wenn voraussichtlich auch nur ein sehr abgekürzter! Meine Frau und ich heißen Sie im voraus herzlich willkommen. Mit herzlichen Grüßen für Sie und die Ihrigen alle Ihr Abraham Sehr geehrter Herr Professor, mein Mann war bereits auf dem Wege ins Lazarett zum Nachtdienst, als Ihre beiden Karten kamen. Ich habe ihm den Inhalt telefoniert, und er beauftragte mich, Sie und Ihre lieben An- gehörigen zur glücklichen Heimkehr des Fräu

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    lein Annerl zu beglückwünschen! Ich schließe mich diesen Glückwünschen aufs herzlichste an und sende gleichzeitig Ihnen allen die besten Grüße! In der Hoffnung, Sie, verehrter Herr Professor, demnächst bei uns zu sehen, bin ich Ihre ergebene Hedwig Abraham