• S.

    [Briefkopf III Berlin] 13. 9. 14 Lieber Herr Professor, Ich muß annehmen, daß mehrere Karten und mindestens ein Brief von mir nicht in Ihre Hände gelangt sind. Die Beförderung ist noch immer schwierig. Ihr vom 3. September datierter und abgestempelter Brief ist gestern, also nach neuntägiger Reise, hier angelangt. Es freut mich zu hören, daß es Ihnen allen gut geht, und daß Ihre Schwägerin sich auf dem Wege der Genesung befindet. Ihre beiden Söhne begleiten meine besten Wünsche; ich danke Ihnen übrigens für die Karte, die Sie mit Martin geschrieben haben. Bei uns geht in der Familie alles gut. In Berlin ist im allgemeinen wenig vom Kriege zu merken. Wir sind sehr beruhigt durch die vollkommene Niederlage der Russen in Ostpreußen. In den allernächsten Tagen hoffen wir auf günstige Nachrichten über die Kämpfe an der Marne. Sind diese glücklich entschieden, so ist Frankreich im wesentlichen erledigt, d.h. die Eroberung der südöstlichen Festungen nur noch eine Frage relativ kurzer Zeit. Heute Abend erfuhren wir von dem österreichischen Rückzug bei Lemberg; ich erwarte, daß die Festungen und die Karpathen dem Vordringen der Russen doch Einhalt tun werden.

  • S.

    Nun zu unsrer engeren Interessenwelt! Ich schrieb am Dienstag Rank eine Karte und stellte ihm eine kleine Arbeit in Aussicht. Am selben Abend noch bekam ich Nachricht, daß in aller Frühe ein Verwundetentransport in unser Lazarett komme, das weit außerhalb der Stadt liegt. Da hieß es um 4 1 /2Uhr aufstehen und zunächst bis 2 Uhr ununterbrochen im Operationssaal stehen, am Nachmittag einige Stunden der Praxis widmen, und da es in den nächsten Tagen ähnlich blieb, so konnte ich nicht den bescheidensten Anfang mit dem Artikel machen. Vielleicht geht es in dieser Woche besser. – An die größere Arbeit, die ich auszugsweise als Kongreß-Vortrag bringen wollte, mag ich jetzt gar nicht herangehen. Umso mehr freue ich mich, Ihnen die Ideen vortragen zu können, wenn Sie nach Berlin kommen. Ich werde es einrichten, daß mich die Lazarettätigkeit während Ihres Besuches möglichst wenig hindert. Ich füge für Sie, die Ihrigen und alle Freunde die herzlichsten Grüße hinzu. Wie stets Ihr Karl Abraham