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    B.[erlin] 26. XII. 14 Lieber Herr Professor, Ihr vom 22. abgestempelter, vom 21. Dezember datierter Brief ist schon am 24. hier angelangt; die Postverbindung scheint sich also zu bessern. Natürlich muß man Briefe nach Österreich auch hier noch offen zur Post geben; wenn meine letzten Briefe dort geschlossen ankamen, so sind sie von der kontrollierenden Behörde geschlossen worden. Auch Ihre Briefe kommen manchmal verschlossen an; auf der Rückseite ist eine amtliche Verschluß-Marke angebracht. Es freut mich zu hören, daß Ihre Familie wieder wohl ist; mir selbst geht es noch immer nicht ganz gut, der Katarrh will nicht weichen. Seit Dienstag liegt meine Frau krank: Influenza, Angina und scharlachähnliches, aber sicher gutartiges Exanthem. Ich hoffe nur, daß nicht jetzt die Kinder an die Reihe kommen. Meine Reiseabsichten werden durch diese Dinge in Frage gestellt, mindestens hinausgeschoben. Noch etwas anderes hindert mich an der Reise nach Wien. Wenn ich ein bis zwei Tage Zeit habe, muß ich dringend nach Bremen fahren, um meine Eltern zu besuchen. Eine 76jährige Schwester meines

     

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    Vaters, die bei meinen Eltern lebt, hat im Sommer eine Apoplexie gehabt, ist jetzt ganz hilflos und psychisch gestört, und ich muß einmal hinüberfahren, um mit meinen Eltern zu beratschlagen, was man mit ihr machen soll. Aber ich behalte den Wiener Plan im Auge, und sobald es sich eben einrichten läßt, werde ich ihn mit Freude verwirklichen, zumal da ich weiß, daß ich Ihnen persönlich ein bißchen nützlich sein kann. Der wissenschaftliche Teil Ihres Briefes hat mir sehr eingeleuchtet, soweit ich mich schon hineingedacht habe. Mir sind aber einige Punkte nicht klar geworden. Ich nehme aber an, daß das von mir noch nicht Verstandene mich nicht minder überzeugen wird, sobald ich es verstanden habe. Ich möchte das gern unsrem hoffentlich nicht fernen Zusammentreffen vorbehalten. Sehr schön ist, was Sie von Rank schreiben; zwar weiß ich noch nicht, was Rank am Homer-Problem gelöst hat, aber ich freue mich für ihn und uns alle über seine Konsequenz und seine Erfolge. Wie es mit der Habilitation wird, weiß ich noch gar nicht. Ich hoffe, eventuell während des Krieges etwas über Psychosen arbeiten zu können, aber das Beobachtungsmaterial ist bisher nicht günstig. Die früher angefangene Arbeit ist auch wegen Mangel an geeignetem Material in Stagnation geraten.

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    Also weiß ich noch gar nicht, was nach dem Kriege sein wird. – Ferenczi scheint es Ihrem Bericht nach gut zu gehen. Von Eitingon hörte ich lange nichts mehr. Gestern kam eine Karte von Jones über van Emden; sie ist so freundschaftlich gehalten, wie man sie aus Feindesland nur erwarten kann. Irgend etwas Neues schreibt er nicht. Trigant Burrow finde ich rührend. Daß ich Ihren Söhnen und Schwiegersohn, wenn sie ins Feld gehen, meine besten Wünsche auf den Weg gebe, bedarf wohl kaum der Versicherung. Ihnen und den Ihrigen allen sende ich herzliche Grüße! Ihr Karl Abraham Falls die Zeitschrift im neuen Jahr weiter erscheint, ist wohl Rank so freundlich, es mir bald mitzuteilen. Bei uns sind zwei Mitglieder ausgeschieden, die keinen Anspruch mehr auf Zusendung haben, und an manche Mitglieder, die ich namhaft machen kann, ist der Versand unmöglich.