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[Briefkopf III Berlin] 16. 7. 14 Lieber Herr Professor, Es ist schön, daß unsre Briefe sich nicht abermals gekreuzt haben. Ich begrüße die Aussicht auf baldigen Austritt der Schweizer mit großer Genugtuung. Ich habe nun unverzüglich unter Eitingons Assistenz die weiteren Kongreß-Vorbereitungen getroffen, d.h. ein Zirkular aufgesetzt, das an alle Mitglieder geht, nebst Antwortkarte, auf welcher drei Fragen zu beantworten sind: Teilnahme am Kongreß, Vortragsabsichten und Zimmerbestellung. Die Sache ist bereits im Druck. Morgen kommt Korrektur, Sonnabend Abend wird geliefert. Sonntag versenden wir. – Eine kleine Beilage, den Kongreß betreffend, füge ich heute bei. Bleulers Brief, den ich heute von Jones erhielt, erinnert mich an die besten Zeiten im Burghölzli. Jungs Entfernung aus der Vereinigung ist für Bl. sicher eine Brücke, auf der er wieder zu uns kommen kann. Haben Sie den Schlußsatz beachtet? Ich glaube, Bl. möchte animiert sein, in der Schweiz wieder an die Spitze zu treten. Wir werden ihn doch zum Kongreß einladen; da wird sich das weitere ja zeigen. Sein
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Übergang an uns würde vor der Außenwelt alles wettmachen, was uns das Schisma etwa geschadet hat. Dagegen bin ich in Sachen Pfister ganz entgegengesetzter Ansicht wie Sie, lieber Herr Professor! Wir waren nicht, wie Sie meinen, falsch über ihn berichtet. Sondern er hat vor kurzem in der Theologischen Literatur-Zeitung erklärt: Psychoanalyse hat nichts mit Sexualität zu tun. Ich schließe mich Jung an! – Seine Haltung in andern Schriften ist ganz schwächlich. Er sandte mir kürzlich eine Arbeit über Echnaton, die nach Jungschem Vorgang alle psychoanalytischen Gesichtspunkte aufgibt. Z.B.: nachdem ich in meiner Arbeit gezeigt habe, daß der Kampf des Königs gegen Amon eigentlich gegen den Vater geht, entdeckt Pfister, daß die Feindschaft gegen den Vater eigentlich gegen den Gott Amon geht. Ich halte Pf. für ganz unzuverlässig. Sein in der »Geschichte« zitierter Brief war im Widerstand gegen Jung geschrieben; mit dem Wechsel der Einstellung geht er wieder zu Jung, und gegenwärtig wieder mal zu Ihnen! Ich glaube wir könnten seinen Verlust verschmerzen; die Theologen haben es nun mal gar zu schwer, die Psychoanalyse restlos anzunehmen. Jedenfalls sollten wir in keiner Weise um Pfister werben!*) Wissen Sie, daß Oberholzer bereits aus der Zürcher Gruppe ausgetreten ist?
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Es ist schön, daß Sie Reik geholfen haben; von mir etwas anzunehmen, wird ihm während der Analyse besonders schwer. Wir kommen inzwischen gut vorwärts, und ich hoffe, ihm helfen zu können. Seine Einstellung zu Ihnen, zu Rank, zu mir etc. ist ausgesprochen neurotisch, zwischen zärtlicher Anhänglichkeit und äußerstem Sadismus schwankend. Er macht sich, und ebenso seiner Braut, das Leben sauer. Sie bringt ihm übrigens fast nichts in die Ehe; sie verfügt über kaum 1000 M. – Ich habe selten einen Menschen gesehen, der so gegen alle Welt und sich selbst wüten möchte wie R. Wenn der zirkulierende Brief Pf.’s mich eines besseren belehren sollte, will ich gern zufrieden sein. Ich hoffe, Karlsbad wird Ihnen und Ihrer Gattin wieder recht gute Dienste tun! Was unsre Pläne betrifft, so liegt das Mißverständnis sicher ganz auf Ihrer Seite, lieber Herr Professor! Ich habe stets dieselben Daten angegeben. Ich konnte umso weniger am August zweifeln, als Ferenczi mir vor kurzem auf meine Frage schrieb, er sei im August in Seis! Ich denke mir, Sie planten schon länger für August die Kraus-Arbeit, waren aber zu rücksichtsvoll, mich für August abzuweisen, und da hat sich die unterdrückte Tendenz in dem Irrtum geäußert, daß ich von mir aus
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die Absicht hätte, Sie im August ungestört zu lassen und erst später zu kommen. Der Vorschlag, uns weiter südlich zu treffen, den Sie erwähnen, bezog sich wohl auf Ossiach? Aber auch damals verstand ich immer August. Ein andrer südlicherer Vorschlag ist mir nicht bekannt geworden. Nun wäre es uns sehr peinlich, Sie auch nur im geringsten zu stören! Ich meine nun, so wie wir zueinander stehen, brauchten Sie sich nicht zu scheuen, jetzt noch ein ganz offenes Wort zu sprechen. Wir können unsre Reise aus verschiedenen wichtigen Gründen nicht erheblich verschieben, höchstens um einige Tage. Aber da wir doch eine Dolomiten-Wanderung planen, so könnten wir diese zuerst machen und dann zu Ihnen stoßen. Immerhin wäre auch das im August, freilich erst in der 2. Hälfte, wahrscheinlich in der letzten Woche des Monats. Ich wüßte gern – ohne alle Umschweife –, ob wir dann ungelegen kommen und verspreche Ihnen, daß ich Ihnen nichts übelnehmen werde! Also sagen Sie kurz Ihre Wünsche, und wir werden uns danach richten! Ganz gespannt bin ich auf das Neuste zur Kindersexualität! – Frau Hirschfeld hat sich von Wien aus telephonisch bei mir gemeldet; sonst weiß ich noch nichts von ihr. Noch zehn bis zwölf Tage, dann gehe ich auf und davon. Herzliche Grüße Ihnen und Ihrer Gattin von Ihrem Karl Abraham
Rankestraße 24
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Villa Fasolt / Villa Schlossberg
Karlovy Vary 36001
Tsjeggië
C15F5