-
S.
[Briefkopf III Berlin] 14. 8. 14 Lieber Herr Professor, Jetzt vermute ich Sie wieder in Wien. Leider bin ich schon längere Zeit ohne Nachricht von Ihnen; was mag aus Ihnen allen inzwischen geworden sein? Mußten Ihre Söhne zum Landsturm? Was ist aus Rank, Sachs, Ferenczi geworden? Die lebhafte Korrespondenz ist ganz eingeschlafen. Ich muß noch abwarten, bin Landsturm und freiwilliger Arzt. In letzterer Eigenschaft werde ich wohl demnächst beschäftigt werden. Näheres weiß ich aber noch nicht. Die ersten großen Erfolge haben hier die Stimmung außerordentlich gehoben. Seit vorgestern sind wir fast ohne Nachrichten von den Kriegsschauplätzen. Vermutlich vollzieht sich gerade gegenwärtig Großes. Infolgedessen sind wir in größter Spannung. Die Praxis hat sich in dieser Woche, zu meinem eignen Erstaunen, wieder ein bißchen entwickelt. Eigentlich sind jetzt ja Fe- rien, und wir sollten gerade jetzt in Tirol zusammen sein! Aber in dieser Zeit
-
S.
muß man schon die Ferien drangeben, um sich finanziell noch ein bißchen zu sichern. Ich habe drei, vier Stunden am Tag. Zu wissenschaftlicher Arbeit fehlt noch die Ruhe. Man lebt von Zeitung zu Zeitung; kaum durch eine Nachricht befriedigt verlangt man schon nach der nächsten. Meine Familie ist wohl; ich hoffe, auch bei Ihnen ist es so. Lange habe ich nicht mehr gehört, wie die Rekonvaleszenz Ihrer Schwägerin verlaufen ist. In Erwartung baldiger guter Nachrichten (Karte oder offener Brief) und mit herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus Ihr Abraham
Rankestraße 24
Berlin 10789
Duitsland
Berggasse 19
Wien 1090
Oostenryk
C15F5