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[Briefkopf III Berlin] 4. XI. 13.
Lieber Herr Professor,
Ich antworte Ihnen postwendend, daher in Eile und ohne Ihre zweite Frage mit genügender Ruhe überlegt zu haben. Die erste ist rasch beantwortet. Wenn Sie mir die Redaktion anvertrauen wollen, übernehme ich sie (unter Hitschmanns Mitarbeit) selbstverständlich und gern. Jungs Rücktritt von der Redaktion ist für uns erfreulich, und man darf ihm keinesfalls das Jahrbuch überlassen, indem etwa Sie auf die Herausgabe verzichten. Das Programm, wie Sie es entwickeln, ist mir sehr sympathisch. Ich glaube, wenn alle drei Zeitschriften in gleichem Geiste redigiert werden, so kann die Psychoanalyse dabei nur profitieren. Leider weiß man nichts über Jungs eigentliche Motive; er gibt gewiß die Position nicht auf, wenn er nicht irgendwas andres plant. Die Frage der Vereinsauflösung ist sehr heikel. Einen entsprechenden Paragraphen haben unsre Statuten nicht. Bei Durchsicht der Statuten sehe ich sogar, daß der Präsident auf zwei Jahre gewählt wird; wir könnten im Herbst 1914 also gar keinen andern Präsidenten wählen! Der Zustand ist unbehaglich; aber ich sehe
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nicht, inwiefern sich die Situation seit München geändert hat. Leider erfahre ich hier ja so wenig; aber wenn sich seither nichts ereignet hat, so weiß ich nicht, ob es klug ist, gerade in diesem Moment eine neue Politik einzuschlagen. Der von drei Gruppen gestellte Antrag kann gar zu leicht ins Wasser fallen; wir wären dann zum Austritt genötigt, und das halte ich für ganz verfehlt. Die bestehende Vereinigung, die als solche bekannt ist, muß eine wirklich psychoanalytische bleiben; speziell dürfen Sie nicht hinaus. Was aber praktisch wichtiger: ich kann für Berlin nicht einstehen. Von 18 Mitgliedern sind nur neun in Berlin. Wie sollen wir Beschluß fassen? In einer Sitzung geht es kaum, wir würden dann über den Kopf der Auswärtigen hinweg einen Beschluß fassen. Die Auswärtigen schriftlich zu orientieren, ist sehr mißlich. Zum Teil sind sie unsichere Kantonisten, oder sie würden mit wohlmeinenden Friedens-Ratschlägen aufwarten. Die Gruppe würde sich zersplittern. Es liegt das in den besonderen Verhältnissen der Gruppe. Im Interesse unsrer Gruppe will ich auch noch folgendes sagen. Es haben sich kürzlich zwei Kollegen hier niedergelassen, von denen Stockmayer stark unter Jungs Einfluß steht, oder ihm wenigstens jetzt noch nahe steht. Ich hatte für unsre Gruppe viel von diesen Mitgliedern erwartet, die beide sehr eifrig sind und die ich mit der Zeit schon
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