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S.
[Briefkopf Wien] 30. Dez. 09
Lieber Herr Doktor
Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen im Leonardo-Problem und die Zusendung der beiden Bücher. Der Boden ist hier doch noch viel schwankender, als ich ihn beurteilt, und so ist manches ins Wanken geraten, was ich vielleicht noch befestigen kann. Groß kann die Sicherheit der Ergebnisse auf keinen Fall werden. Ich weiß vor der Hand nicht, wobei Sie mir durch Nachforschung helfen könnten, behalte aber Ihre Zusage im Gedächtnis, daß Sie zu solcher Hilfe bereit sind.
Die beiden Bücher wandern zu Ihnen zurück, sobald ich Ihre Adresse mit Sicherheit lesen kann, also nach Ihrem nächsten Brief.1
Gleichzeitig mit Ihren Büchern trafen zwei Abhandlungen und ein Brief von Ossipow2 aus Moskau ein, die uns gewiß Stoff zur Unterhaltung geboten hätten, wenn Sie noch hier wären. So kann ich Ihnen nur mitteilen, daß O. noch zwei weitere Arbeiten über Psychoanalyse im Druck hat, sich um den Preis, der von der Moskauer Akademie ausgeschrieben ist,3 bewerben wird und im Mai nach Wien kommen will.
Auf den Fortgang Ihrer Analyse bin ich recht gespannt und jederzeit bereit, ihn in Empfang zu nehmen.
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S.
Über Oppenheim hat mir Abraham4 allerlei erzählt, was sich mit Ihren Eindrücken deckt. Ich hoffe, Sie sehen A. oft und nehmen Anteil an seinen Arbeiten. Hier geht es im Verein wie im Seminar5 recht lebhaft zu, eine ganz interessante Zeit. Auch aus Amerika lauten die Nachrichten günstig.
Ich wünsche Ihnen den Abschluß aller Provisorien6 in dem neuen Jahre 1910 und grüße Sie herzlich
Ihr Freud
Berggasse 19
Wien 1090
Österreich
C22F2