• S.

    [Briefkopf Wien] 22. 4. 1928

    Lieber Max

    Ich danke Ihnen sehr für das Büchlein von Schestowa, das ich mit großem Interesse in einem Zuge ausgelesen habe. Ohne über die persönliche Einstellung des Autors selbst klar zu werden. Er ist, glaube ich, ein Favorit und persönlicher Freund von Ihnen.

    Wahrscheinlich können Sie sich nicht vorstellen, wie fremdartig mir all diese philosophischen Verkrampfungen vorkommen. Ich habe den einen großen Eindruck der Befriedigung darüber, daß ich an diesen beklagenswerten Vergeudungen der menschlichen Denkkraft keinen Anteil habe. Die Philosophen glauben in solchen Studien gewiß Beiträge zur Entwicklung des menschlichen Denkens zu leisten, es ist aber wohl jedesmal ein psychologisches oder gar psychopathologisches Problem dahinter.

    Auch ich freue mich, Sie bald bei uns zu sehen. Erwarten Sie aber nicht, mich sehr wohl anzutreffen; es ist nicht der Fall.

    Herzlich Ihr

    Freud

     

    a MS: Chestov.