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S.
[Briefkopf Wien] Semmering
27. 9. 24
Lieber Max
Ich schicke Ihnen hier den letzten Brief von Rank, heute eingetroffen,1 und bitte Sie um dessen umgehende Rücksendung, da ich ihn Ferenczi zeigen will, den ich in den ersten Tagen in Wien erwarte, wohin wir übermorgen, am 29., übersiedeln.
Der Brief ist nicht die Reaktion auf mein von Ihnen eingesehenes Schreiben, sondern auf ein früheres, das Sie nicht kennen.2 Der „ausführliche“ Brief, von dem er vermutet, ich hätte ihna nicht erhalten, ist natürlich derselbe, den wir so bedauert haben. Der Sinn des Briefes ist klar, er zieht sich kühl zurück, wie Anna es ausgedrückt hat. Vermeidet zwar einen schroffen Abbruch, wird aber gegen Versuche, ihn zu bearbeiten, unzugänglich sein. Nach meinen Berichten schifft er sich gerade heute ein. Seine Frau und Kind sind in Meran; ich vermute, er wird sich in der Zwischenzeit zwischen Meran und Wien bei mir nicht sehen lassen. Daß er sich ein schönes Stück Geld mitgebracht und seiner materiellen Unabhängigkeit nun sicher ist, wird ihn gerade nicht gefügiger machen. Ich hätte ihm diesen Erfolg sonst gerne gegönnt.
Die ganze Tiefe seiner Verbitterung und Entfremdung zeigt sich in dem Satz, er sei überzeugt, ich wolle mich gar nicht überzeugen lassen, was er von meinem Standpunkt aus wohl verstehe. Dabei übersieht er die Ungeheuerlichkeit, daß er – wie noch Ferenczi unlängst brieflich bestätigt – niemandem noch mitgeteilt hat, 1. was er eigentlich lehrt, 2. was erb in der Technik tut. Daß ich im Gegenteile sehr bereit war, mich durch ihn überzeugen zu lassen (aber wovon?), wissen Sie seit meiner ersten Äußerung in jenem Rundbrief.3
Nach diesem Brief kann man ihn ruhig verloren geben. Ihre Anwesenheit in Wien wird vielleicht notwendig sein, um über die Nachfolge in seinen Funktionen zu entscheiden. Er deutet klar genug an, daß er es sich leicht machen will. Die Vereinigung hier wird sich kaum bis Ende Oktober aufschieben lassen. Ich muß resignieren,4 werde den Mitgliedern die Wahl freistellen, glaube gar nicht, daß Rank sie annehmen würde. Ich werde Federn sprechen, sobald ich nach Wien komme.
Mit diesem traurigen Akkord klingt dieser Sommer aus. Wir hatten hier noch einige schöne Herbsttage. Jetzt rüstet alles zur Abreise. Die letzte Korrektur an meiner Prothese hat mir bedeutende Besserungen meiner Funktionen gebracht. So wollen wir denn weiter kämpfen.
Ich freue mich zu hören, daß es Ihnen so wohl geht, und schließe daraus auf gutes Befinden bei Mirra.
Mit herzlichen Grüßen für Sie beide
Ihr Freud
a Gestrichen: natürl.
b Nachträglich eingefügt.
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S.
C22F13