• S.

    [Briefkopf Wien] 16. 5. 20a1

    Lieber Herr Doktor

    Neue Dankesvariationen kann ich nicht aufbringen; ich will nur sagen, vor kurzem schrieb und dachte ich noch, ich könnte mich nicht mehr freuen, und jetzt, glaube ich, ist es doch gewesen. Das große Geschenk2 beschwichtigt nicht nur unsere brennenden Sorgen, es hat uns auch Mut für die Zukunft gemacht.

    Ihren Verwandten aber und wahrscheinlich jenem Vetter gegenüber, den Sie mir als typisches Ebenbild unseres verstorbenen Toni Freund beschrieben haben,3 brauche ich weniger Zurückhaltung zu üben. Ich bitte Sie, ihm – oder ihnen – meinen wärmsten Dank im Namen unserer psychoanalytischen Sache zu sagen. Sie mögen versichert sein, daß ihre Spende dazu verwendet werden wird, um den Fortschritt unserer Wissenschaft unabhängiger von den Widerständen der Menge zu machen und auf solchemb Umweg zum allgemeinen Fortschreiten etwas beizutragen.

    Ihre persönliche Rolle dabei will ich vor der Öffentlichkeit verborgen halten, wie Sie es wünschen. Aber das Komitee hat ein Recht darauf, ins Vertrauen gezogen zu werden.

    Anna überbringt Ihnen endlich den Ring, auf den Sie schon so lange Anspruch haben. Ich habe ihn von meinem Finger abgezogen, weil ich in dieser armseligen Zeit nichts Schönes finden konnte.4 Er gebührt Ihnen wie keinem anderen, wollen Sie ihn auch zur Erinnerung an mich tragen, dem Sie ein so wertvoller Freund und teurer Sohn geworden sind.

    Die erste Verwendung des neuen Reichtums, die Ihnen gewiß recht sein wird, bestand darin, die Gehälter des unermüdlichen Rank und des braven Reik,5 die der Verlag bisher einfach ausgebeutet hat, zu erhöhen. Betreffs der Anlage und Unterbringung des Fonds erwarte ich Ihren angekündigten Vorschlag. Ich meine, er soll keinesfalls nach Wien. Bequem wäre mir ein Konto z. B. bei Jacobus Kann im Haag, den ich persönlich kenne, dem Zionistenkassier, Bruder von unserer Loe Jones.6 Wenn Sie zustimmen, frage ich bei ihm an, ob er dazu bereit ist und welche Verzinsung er uns geben will. Die Dollars würden dann in holländische Gulden umgesetzt werden; ich hätte gerne Mark, da ich deren Werterhöhung erwarte. Aber für Mark dürfte man in Holland keine Zinsen bekommen.

    Nun leben Sie mir recht wohl bis zu unserem Wiedersehen, grüßen Sie Ihre liebe Frau und alle Mitglieder Ihrer Familie, die von Ihrem

    herzlich ergebenen

    Freud

    etwas wissen wollen.

     

    a Der zugehörige Briefumschlag (von Eitingon auf 16. 5. 20 datiert) trägt lediglich die Aufschrift: Herrn Dr. Max Eitingon.

    b MS: solchen.