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    [Briefkopf Wien] 12. 2. 1932

    Lieber Max

    Es ist wohl an der Zeit, daß ich Ihnen zusammenfassend über meine Anteilnahme am Verlag berichte, obwohl ich weiß, daß Martin regelmäßigen Kontakt mit Ihnen unterhält.

    Der Verlag hat bisher an Zuwendungen bekommen:

                  M 5000  – Rest bei Ihnen1

                  "   6000  – Beitrag von Ihnen

    etwa       S   6000  – Institutsgelder, die in Wien vorhanden waren

                  $   1000  – Sammlung von Brill

                  $   1000  – Geschenk Dr. Edith Jackson2

                  $     200  – Alexander und Dr. Putnam, Boston3

                  $   2500  – von mir, die mein Mitarbeiter am Wilson-Buch von den erwarteten

                                   amerikanischen royalties vorgestreckt hat.

    Weitere $ 3000 halte ich bereit, um sie Martin allmählich für den Betrieb zufließen zu lassen.

    Da alle diese Beträge zur Schuldentilgung nicht hinreichen würden und dann doch Bargeld zur Fortführung fehlen müßte, hat Martin sich entschlossen, eine Versammlung der Gläubiger einzuberufen, ein Moratorium zu verlangen, sich zur Abzahlung der Schulden im Lauf von 3-4 Jahren zu verpflichten und keine neuen Schulden zu machen, nur gegen Barzahlung zu produzieren. Er hofft es bei den Gläubigern zu erreichen und so Zeit zu gewinnen, um den Verlag durch Herabsetzung der Regie, Entlassungen und Gehaltherabsetzungen zu sanieren. Die Entfernung von Storfer scheint Vorbedingung für alle Reformen zu sein. Wir könnten uns natürlich Vorwürfe machen, daß wir St.s Mißwirtschaft so lange zugelassen haben.

    Sie wissen, ich bin nicht reich geworden, habe $ 7000 für ein verunglücktes Experiment mit dem Armenier ausgegeben usw., ich rechtfertige aber meine Aufwendungen für den Verlag privatim mit der Erwägung, daß ich meinem Ältesten so ein Arbeitsfeld verschaffe und ihn vor dem Fluch des Müßiggangs behüte. Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst, ich glaube, er wird sich als geschickt und gewissenhaft bewähren.

    Im weiteren gedenke ich, in einem Rundschreiben allen Gruppen und einflußreichen Personen innerhalb derselben vorzuhalten, daß der Verlag ein allgemeines analytisches Interesse ist, genauso wie die psychoanalytischen Lehranstalten, und daß sie bereit sein sollen, korporativ für seinen weiteren Bestand zu sorgen.4 Auf welche Weise, bleibt zu überlegen. Ich will der Gefahr vorbeugen, daß der Verlag mit meinem Ableben zu Ende geht. Es ist das ein Thema, das die Leitung der I.P.V., eventuell den Kongreß zu beschäftigen ein Recht hat. Wir haben den Verlag bisher als Privatunternehmung behandelt, aber die Mitglieder sollen verstehen, daß er mehr ist als das.

    Auch von diesem Gesichtspunkt würde ich wünschen, daß heuer ein Kongreß zustande kommt.5 Es fragt sich nur, wie man die Schwierigkeiten der Devisenordnungen überwindet. Ich pflichte Ophuijsen vollkommen bei, daß die Abhaltung des Kongresses geboten ist,6 nicht aus seinen einfältigen formellen Gründen, sondern weil ich fürchte, daß mit dem Wegfall der Kongresse das Erlöschen der allgemeinen Verpflichtungen der Analytiker und damit die Zerbröckelung der Gesellschaft7 eng verbunden wäre.

    Nun zur Frage der Redaktionen. Keine Frage, es wäre eine Erleichterung und Ersparnis, wenn Redaktion und Verlag räumlich vereint wären. Die ‚Imago‘ hat drei Redakteure: Radó, Sachs und Storfer. Der eine ist abwesend, Sachs beteiligt sich grundsätzlich nicht an der Arbeit, Storfer erklärt, er sei nur nominell Redakteur. Bleibt der eine Fenichel, der auch die ‚Zeitschrift‘ redigiert; er ista mir gründlich zuwider, ich traue ihm auch keine besondere Eignung zum ‚Imago‘-Redakteur zu. Ich wäre dafür, die ‚Imago‘ zwei intelligenten und eifrigen jungen Wienern, Wälder und Kris, zu übergeben, habe noch nicht mit ihnen gesprochen, weil ich zuvor Ihre Meinung hören will. Auch über die Redaktion der ‚Zeitschrift‘. Radó wäre schon recht, wenn er wiederkäme. Bestellt man einen Wiener zum Redakteur und Radó legt nach seiner Rückkehr Wert auf seine frühere Funktion, so könnte man ihn als zweiten Redakteur belassen. Hier denke ich an Federn, der gewiß bereit sein und mit Hilfe eines Jüngeren die Arbeit gut bewältigen wird.8 Der Termin für alle Veränderungen wäre wiederum Storfers Abgang, mit dem ein Redaktionsraum im Verlag frei wird, also Ende April. (Er rauft übrigens mit Martin bereits ebenso wie früher mit Ihnen und Radó.) Ich wollte, wir wären ihn schon los; daß er vorher etwas fertig macht, z. B. den XII. Bd., ist ganz unwahrscheinlich.

    Nun warte ich gern auf Ihre Äußerungen über diese drei Punkte: Verlag, Kongreß und Redaktionen, und grüße Sie herzlich, auch indem ich mein Anrecht auf persönliche Nachrichten über Sie geltend mache,

    Ihr Freud

     

    a Nachträglich eingefügt.