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    [Briefkopf Wien] 22. 3. 27

    Lieber Max

    Dank für Ihr Telegramm1 und die neuerliche gute Sendung,2 für die Anna allerdings 30 S. Zoll zahlen mußte. Sie ist befriedigt und gehoben zurückgekommen. Ich freue mich sehr, anerkannt zu finden, daß sie gut beobachtet, selbständig und verständig urteilt und klar darzustellen weiß. Unsere nächste Aufgabe ist, sie zu bewegen, daß sie sich heuer ausgiebige Erholung gönnt.3

    Die Frage, über die ich mich aus Anlaß des Briefes von Jones äußern soll, ist mir sehr unbequem.4 Grade für solche Probleme praktischer Natur finde ich mich bereits zu sehr outsider, nicht aktuell und gegenwärtig genug. Ich will versuchen, Ihnen zu sagen, was ich zustande bringe.

    Eine solche Auskunft, wie Jones sie vorschlägt, ist mir natürlich von vorne herein sehr zuwider. Ich möchte, daß sich die Vereinigung in ihrer ganzen Masse auf den von mir vertretenen Standpunkt stelle. Aber das werden wir gewiß nicht erreichen. Vielleicht sprengen wir sogar die bisherige Gemeinschaft, wenn wir auf unserer Forderung beharren. Was sollen wir also tun? Die Jonessche Formel ist besonders ungeschickt. Wenn wir den Gruppen auftragen, sich nach den in ihrem Lande giltigen Gesetz[en] zu richten, so muß grade Wien die Laien ausschließen, Amerika sie aber aufnehmen. Geben wir den Gruppen einfach Autonomie, d. h. das Recht, so zu verfahren, wie sie wollen, so weichen wir zwar dem Bruch derzeit aus, zerstören aber die bisherige Freizügigkeit, indem ein Wiener Laienmitglied das Recht einbüßt, z. B. in Amerika oder in Holland an den Sitzungen teilzunehmen. Um eine einheitliche Gesinnung herzustellena, bedürfte es einer Macht, die nicht verfügbar ist. Vielleicht ist irgendein diplomatischer Ausweg am zweckmäßigsten – nicht daß er mir sympathisch wäre – in der Art, daß man keine bindende Entscheidung treffen läßt und sich mit einer prinzipiellen Kundgebung zugunsten der Laienanalyse, d. h. im Grunde der spezifischen Ausbildung für die analytische Tätigkeit, begnügt. Sie werden es besser treffen, als ich es vorhersehen kann. –b

    Die Nachrichten von Ferenczi5 sind sehr instruktiv. Er hat sich offenbar schrecklich geplagt und persönlich einen großen Erfolg erzielt. Materiellen Gewinn konnte er weder für sich noch für den Fond zutage fördern, und auch der Eindruck, den er sich erwartet, wird seine Anwesenheit nicht lange überdauern. Aus dem Ausbleiben der Geldspenden darf man ruhig schließen, daß die Leute auch sonst für die Analyse nichts übrig haben.

    Zwei Arbeiten – Vorträge, die er dort gehalten – schicke ich an Radó.6

    Man sagt mir, daß ich nicht so gut aussehe, und setzt mir zu, wieder einige Wochen im Sanatorium zuzubringen. Aber ich warte, bis ich es wirklich brauche. Das Leben für die Gesundheit ist mir etwas Unerträgliches. Die neue Prothese bedeutet eine unzweifelhafte Erleichterung.

    Ich grüße Sie und Mirra herzlich

    Ihr Freud

     

    a „-zu-“ nachträglich eingefügt.

    b MS: Zeile endet am Seitenrand; Gedankenstrich vor der nächsten Zeile.