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S.
[Briefkopf Wien] Badgastein 12. 8. 21
Lieber Max
Ich finde es unrichtig, in einem Brief den Empfänger an das zu mahnen, was ihn ohnedies unausgesetzt beschäftigt. Man soll ihn eher durch neue Mitteilungen ablenken. Nur darum verweile ich nicht bei Ihren Bemerkungen über Mirra, die mir sehr leid getan haben.
Sie bekommen keinen Brief aus Gastein mehr, am 14. früh reisen wir ab. Nächste Adresse, wie wahrscheinlich schon oft erwähnt, Kurheim in Seefeld, Tirol, falls die dortige Herrin nicht noch Schwierigkeiten macht, wie auch möglich.
Die Schwüle hier hat die sonstige Gasteiner Frische unmöglich gemacht, heute ist Föhnsturm mit unendlichem Regen. Ich vertrage diese Wetterkünste schlecht, sonst hätte ich nicht zu klagen. Es gab dank der Anwesenheit meiner amerikanischen, jetzt Berliner Nichte Lucie Wiener mit ihren zwei Buben1 mehr geselliges Leben als in früheren Jahren. Auch van Emden war dreimal auf Besuch von Salzburg her, zuletzt zwei Tage lang mit seiner Frau. So konnte man einen minimalen Betrag der vorjährigen Gastfreundlichkeit vergelten.2 An meiner Korrespondenz hat die Abweisung von Aufforderungen zur Teilnahme an neuen okkultistischen Zeitschriften und Gesellschaften einen großen Anteil gehabt. Mein Referat wird zum mindesten nicht unzeitgemäß sein.
Es wird bald an der Zeit sein, den Beginn des Privatkongresses festzusetzen. Abraham hat schon bei mir angefragt, ich kann es nicht allein bestimmen. Es werden auch die wichtigsten praktischen Fragen zur Sprache kommen. Rank wird große Summen zur Investition für den Verlag verlangen, und da wäre es gut, wenn wir genau wüßten, über wieviel der Fond, der in Leipzig ruht, verfügt. Einiges habe ich noch in Wien in fremden Valuten (£ 100, Fr 3000, Mk 5000).
Wieviel Sie für die Kosten des Kongresses flüssig machen sollen? Das Komitee besteht aus sechs Teilnehmern; halten Sie 3000 Mk für die Person [für] ausreichend? Außerdem ist Ranks Rekognoszierungsreise nach Deutschland (Leipzig etc.), die er im Interesse des Verlags vielleicht eine Woche vor dem Kongreß antritt, zu bezahlen. Es ist wohl nicht notwendig, daß ich den Auftrag an Ihre Firma richte.
Um die Mitte September werde ich Berlin passieren. Das genauere Datum hängt vom Wetter und von den Verhältnissen in Seefeld ab. Da wir Ernstl3 dahin mitnehmen, haben wir (oder ich allein) ihn auch zurückzubringen, und diese Aufgabe schließt längeren Aufenthalt in Berlin aus. Ich werde natürlich Gabriels Bekanntschaft machen wollen, auf den auch Sie mich neugierig machen. Vielleicht komme ich von Hamburg nach Berlin zurück, und wir reisen dann zusammen an den Kongreßort. Ich sehe das noch nicht, es hängt viel davon ab, ob ich allein bin oder mit der Großmutter, die bis jetzt nicht sehr wohl oder erholt ist, aber die beiden Kleinen (Heinz4 und Gabriel) gewiß wird sehen wollen. Aber bis dahin wechseln wir wohl noch einen Brief.
Mit herzlichen Wünschen für Sie und Mirra
Ihr Freud
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S.
Berggasse 19
Wien 1090
Österreich
Rauchstraße 4
Berlin 10787
Deutschland
C22F9