• S.

    [Briefkopf Wien] 23. 5. 21.

    Lieber Max

    Schön, daß Sie noch vor Überwindung Ihres Umzugstrubels schreiben. Mirra ist ja gewiß auch noch nicht abgereist. Ihre Schwester dürfte schon angekommen sein. Aber das wissen Sie alles besser als ich.

    Mit Rank habe ich es diesmal so gemacht: Unter dem Titel Redaktionshonorar habe ich ihm 1000 frcs1, d. i. etwa 104.000 K, also leider mehr als die Hälftea seines Hauptgehalts 12 x 15.000 = 180.000 K gegeben. Es ist natürlich alles zu wenig; wenn wir auf wirkliches Geld umrechnen, kommt unser ganzes Bettlerelend sofort zum Vorschein. Frau Rank habe ich für die Arbeit [an] der ersten Bilanz mit 1000 Mk entlohnt. Von Beteiligung habe ich noch nicht gesprochen, die erste Bilanz ist keine geeignete Grundlage für Zukunftsberechnungen. Sollten sich weitere Gewinne herausstellen, so wollen wir gerne alle Verlagsbeamten daran beteiligen.

    Ranks Stellung zur Press ist noch nicht geklärt, deren Vermögen ist auch noch nicht formell in das des Verlags aufgenommen. Die englischen Geschäfte gehen überhaupt recht langsam. Mit Jones arbeitet es sich nicht leicht,2 und Rank hat Zeiten, in denen er minder beweglich ist als sonst. Großen Anteil hat natürlich seine Analysenbeschäftigung; er gibt jetzt vier Stunden im Tag, obwohl ich ihn dringend gebeten, nicht über zwei zu gehen. Sie tragen ihm freilich 4000 K täglich (dreimal 10 SFrb und einmal 100 Mk). Da nützt kein Einspruch mehr. Dank der kleinen gastfreundlichen und lebenslustigen Polin an seiner Seite3 kann er wohl auf dies Einkommen nicht verzichten. Eine Spartanerin wäre den heutigen Verhältnissen angemessener, aber vielleicht hat die Jugend recht. Wir müssen froh sein, daß er überhaupt leben kann, ohne – zum ersten Mal – Sorge zu kennen.

    Da Sie mir von Oli gesprochen haben, bekomme ich Mut, Ihnen seine Berichte einzulegen (Rücksendung erbetenc!). Ich habe den Eindruck, daß er nicht gut anders konnte, und bin froh, daß er sich überhaupt gewehrt und selbständig betätigt hat. Ihr Einfluß kann hoffentlich verhüten, daßd er weitere Schädigung erfährt.4

    Ich habe zwar eine Arbeitsstunde aufgegeben, verspüre aber den von innen und außen zu motivierenden „Grant“5 (ich hoffe, Sie verstehen) darum nicht minder deutlich. Die arme, jetzt einige Male korrigierte ‚Massenpsychologie‘ hat mir z. B. scheußlich mißfallen. Sagen Sie nichts dagegen. Am liebsten setzte ich mit Analyse und Schreiberei ganz aus. Gestern an einem köstlich stillen Sonntag fand ich mich plötzlich intensiv in Freemans ‚Geschichte von Sizilien‘ versenkt und suchte alte Sikaner- und Sikulernamen6 auf der Karte zusammen. Herzlichst

    Ihr alter Freud

     

    a MS: ½ [korrigiert aus: ?].

    b Lesung nicht sicher.

    c Korrigiert aus: erg.

    d Gestrichen: ih [?].